DESERTEURE
I
Schöne Stadt, melodische Stimmen,
endlose Straßen, verstohlene Blicke.
Die Sonne färbt sich golden, zuckende Hände,
Berge und Gerüste, ausgebreitete Meere.
Du wirst mein werden, bevor die Nacht kommt,
bevor die bleichen Lichter Netze auswerfen.
Die Nacht ist gekommen, die Fenster geschlossen,
die Nacht brach herein, die Straßen verlor’n sich.
II
Morgen voll Schaum, Axthieb ins Kreuz,
aus den Essen entweicht Rauch,
der vor unseren Fenstern hängt,
Rauch legt sich auf unsere Liebe.
Nachts totale Stille,
an den Haken Schlachtvieh - unsere Kleider.
III
Augen voller Tränen,
ermüdete Gärten,
zerbrochene Träume,
würd ich doch leben
in den großen Straßen,
unter den Plakaten,
in den tausenden Farben
- wär ich doch zu finden.
Wär doch mein Herz
ein leuchtender Stern,
wär doch mein Blick
eine zweischneidige Klinge,
leuchtendes Schwert
am Mittag.
IV
Ich verlor mich in den Straßen,
die mich für immer banden
an die Häfen
an die Gassen.
Ich verlor mich, weil ich keine Flügel hatte
und hatte dich, Rinio,
und viele Träume hatte ich
- und der Hafen, der war klein,
und immer war ich allein
und bleib immer allein.
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VIOLETTE BERGE
Violett waren die Berge,
violett die Küsse,
violett waren deine Augen,
pechschwarz ist die Einsamkeit.
Der Zug, der dich entwurzelte,
auf immer schneidet er mir durchs Herz,
sein Pfeifen ist mir Stöhnen,
Sehnsucht sein Schon-Vorbei.
Ich war für dich der Reisende, vorbei -
Wasser und Feuer, das warst du für mich.
In meinen Armen hielt ich dich
wie einen kleinen Vogel,
fröhlich sangst du am Morgen,
am Abend warst du verlor’n.
Und jetzt irr ich durch die Wälder,
zähl die bleichgewordnen Zweige,
zähl die Blätter, die verwelkten,
meß die endlose Einsamkeit.
IN DEINEN AUGEN NACHT
Plötzlich abends ein Licht.
Cheirubim, Serafim brachten dich auf die Erde,
und durch deiner Augen Quell gleitet der Mond.
In deinen Augen Nacht,
Nacht auch in deinem Herzen,
in deiner Umarmung die Liebe schlief.
Grüne Blätter liebkosen dich.
Cheirubim, Serafim singen süß,
und du bist Schmerz, der große Schmerz, mein
Tyrann du, Sehnsucht mein.
VERZAUBERTE NACHT
Verzauberte Nacht
ein Schatten vorbeigeht
erinnre dich jetzt der Stimme
die dir zuraunte: niemals, niemals zusammen.
Ich weinte gebeugt
und du warst der Himmel
mit der Musik der Sterne
singst du mir zu: nie, niemals zusammen.
Ich wurde trunken, erblaßte,
dein letzter Kuß
vergessne Musik
ein Messerstich: nie, niemals zusammen.
MEIN STERN
Mein Stern, mein Mond,
du Zweig im Frühling,
ich komm wieder zu dir.
Ich werde eines Morgens kommen,
daß einen Kuß ich mir nehme
und du mich wieder nimmst.
Meine Liebe, du, meine Liebe.
Und es wird die Nacht euch nehmen,
die Sterne, der Himmel,
die Kälte, der Mond.
Wenn ich dich liebe, leb ich im Lied,
wenn du mich liebst, lebst du in den Vögeln.
Wenn ich dich liebe, werden wir Lied,
wenn du mich liebst, werden Vögel wir sein.
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LYRIKOTATA (DIE LYRISCHSTEN LIEDER)
I Diesen Sommer
Stein auf Stein
dazwischen lauert der frische Skorpion
Sonne, brennende, hoch oben
und tiefer das Meer.
Der Wind salzig
zeichnet mein Leben in Sand.
Lies es, bevor’s dir gestohlen wird
bevor es Algen und Muscheln dir stehlen
mit blitzenden Tropfen des Sturms
ich werde dich lieben im Sommer.
Für die Stunde, die aufbewahrt die Möwe
die ausbreitet die Nacht
für jeden Gebeugten und Traurigen,
jeden so noch nicht Gekannten und Vergessenen.
II Der Traum der Nacht
Auf jedem deiner Lider ein Traum
und alle Träume zusammen ein uferloses Meer.
Von seine goldnen Wellen her gebe ich dir Zeichen
daß du die Augen schließt
es naht ein Taifun
wälzt nieder Geschichten, die längst vergangen.
Die Hand, die du auf mein Fieber gelegt
ist der Traum für die Stunde, die aufbewahrt
die Möwe, die ich dir schickte und die auf dich wartet.
© Übertragen von Asteris & Ina Kutulas
Bruder Mikis Theodorakis
Jannis Ritsos
Zu Konstantin Kavafis
Aus den Tagebüchern eines Germanisten