New York by day

Oktober 2001. Mit dem Anschlag vom 9. September sind einige unserer wichtigsten Projekte im Nahen und Mittleren Osten zunichte, und nicht nur dort. Das ist ziemlich hart. Wir reisen nach New York, machen uns ein Bild vom Ort der Zerstörung. Gert ist tief berührt, er entwirft ein „amerikanisches Licht-Requiem“ an der Brooklyn-Brücke. Zwei Jahre zuvor noch trug er einen bizarren, aus Stroh geflochtenen Hut durch Chinatown, probierte dickrandige Sonnenbrillen, behängte sich mit Elvis- und Feuerbohnenketten und wurde ehrfürchtig gefragt, ob er einer der Getreuen des Dalai Lama sei, der zu dieser Zeit im Central Park sprach. Gert lächelte damals, ohne zu antworten, als die Welt noch anders war, als sein Sohn Wanja über den Broadway jagte und ihm John Lennons schwarzer Engel begegnete.

Oktober 2007. Treffe mich mit Guy Tozzoli, dem Präsidenten der World Trade Association. Ein Gespräch über Realität und Utopie. Dann Manhattan. In New York würde ich gern leben. Unzählige Menschen hasten durch die Straßen. Starbucks. Times Square. Die Weltmetropole. Dazwischen immer wieder Menschen. Die Wolkenkratzer deuten nach oben. Ringen nach Luft.

Warum ich das hier mag, weiß ich nicht. Vielleicht ist irgendetwas mit mir schief gelaufen. Vielleicht ist etwas durcheinander geraten bei der Programmierung meiner Persönlichkeitsdisposition. Sicher. Um sich ausgewogen zu ernähren, ausgewogen zu bewegen, ausgewogen zu scherzen und ausgewogen zu agieren, hätte „ich“ mein Heimatland niemals verlassen dürfen, hätten die Wurzeln nie durchtrennt werden dürfen, hätte ich auch meine Zweitheimat nie aufgeben, nie zu einem Tag-und-Nachtmenschen werden dürfen, niemals mich einlassen dürfen auf Menschen, Esswaren, Situationen, die mir nicht gut tun. Aber dass aus mir ein „Süßwassergrieche“ geworden ist, ist ja nicht meine Schuld. Wenn ich es recht bedenke, hätten meine Eltern mich gar nicht zeugen dürfen, hätten nie Dinge tun dürfen, die dazu führten, dass sie ihre angestammte Heimat verlassen mussten. Darum mag ich vielleicht New York. Wie oft sagte ich diesen Satz: „Die Griechen sind ein Volk der Diaspora.“ Und wie oft las ich ihn. Der Ort, woher ich komme, ist dieses Wort: Diaspora. Saat, die gestreut wird. Und irgendwie ist New York für mich das Land der ausgestreuten Saat.

© Asteris Koutoulas

 

 

 

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