Griechische „Hundekultur“

Das Bouzouki, auf den Hund gekommen, jaulend, winselnd, der Mond, das Herzblut, schuld sind immer durchtriebene Frauen, frittierte Kartoffeln, Whisky und Parfüm, musikalische Liedmassenzucht, jede Menge Versprechungen, Beschwörungen, Verwünschungen, Klunker, Haarlack und Zigarettenqualm, ein Stuhl, geformt aus Plasten und Elasten, Farbgebung weiß, hält her als Notenständer – es feiern und ergehen sich die Stars der so genannten griechischen „Hundekultur“ (Skiladiko) in unzähligen Kneipen Griechenlands. Skiladiko – der Typ Taverne, in dem man sein Geld verpulvert, auf den Tischen tanzt, die Sänger mit teuer gekauften Rosen oder Nelken überhäuft, in dem ein Teller nach dem andern zerschmissen und Unterhaltungsmusik geboten wird.

Vor vielen Jahren erlebte auch ich solch eine Veranstaltung, deren Auftakt ein Entertainer namens Bournellis machte, der mit einem Feuerwerk geistiger Tiefflüge die Zuhörer animierte, die willig monotone Lachanfälle hören ließen. Herr Bournellis fragte eine Frau aus dem Publikum, ob sie ihn heiraten würde. Nach ihrem schüchternen „ja, vielleicht“ rief er aus: „Sehen Sie, wie klug die Frauen sind?! Sie wollen einen wichsenden Idioten (Malakas) zum Mann, damit sie ihn nach Belieben betrügen können.“ Oder Herr Bournellis zeigte dem Publikum, wie er den neben ihm stehenden Bouzoukispieler Nomikos sein Instrument gelehrt hat und ließ diesen am Bouzoukihals die schnelle Auf-und-Ab-Bewegung der männlichen Selbstbefriedigung vollführen, ich weiß nicht mehr wie oft. All das „peinlich“ zu nennen, wäre so maßlos untertrieben, dass ich es lieber ganz lasse. Überhaupt ging es bei Herrn Bournellis nur ums Wichsen, Blödeln und Ficken, aber vielleicht war das die Entsprechung zu dem, was gesanglich folgte: Herr Geroulimatos, Doukissa, Frau Pitsa Papadopoulou. Ach endloser Orgasmus süßen Leids. Zieh mir das Fell über die Ohren, gib mir einen Tritt, schick mich bei Regen vor die Tür, lass nicht nach, Schmerz. Hier fließt das Schmalz, das Athen badet und salbt, nährt und alle teilhaben lässt. Futter ist es und treuester Freund, es weicht einem nicht von der Seite. Für das Skiladiko ist immer Saison.

Den Höhepunkt einer solchen Veranstaltung geben allerdings nicht die Künstler auf der Bühne, sondern das Publikum: auftrumpfende Mannsbilder, die mit etwa einhundert Tellern auf der Bildfläche erscheinen, um die Teller dann voll Inbrunst zu zerschmettern. Vermutlich ist das der Augenblick höchster Glückseligkeit der Hundekulturanhänger, und wahrscheinlich bin nur ich nicht zum Erguss gekommen und schreibe sowieso nur aus Neid, ich, der Auch-, der Mit-Grieche. Hunde, die bellen, beißen nicht. Aber was ist mit denen, die ewig jaulen, obgleich nicht immer Vollmond ist?

© Asteris Kutulas, 1997

 

Die oben beschriebene Veranstaltung wurde von Takis Mitsidis organisiert und durchgeführt, der einige Jahre später versuchte, durch eine "Hundekultur-Kampagne" seines Journalisten-Freundes Christoph Herrmann sich des "griechischen Musikmarktes" von Berlin zu bemächtigen. Hier mein offener Brief an die TIP-Musikredaktion, die jenen Artikel damals veröffentlicht und gedeckt hatte:


DAS HERRMANN/MITSIDIS-SYNDROM DER TIP-REDAKTION

An die TIP-Musikredaktion
bezüglich des Artikels „Das trojanische Konzert“ von Christoph Herrmann in der TIP Nr. 3/99

Sehr geehrte Musikredaktion,

gerade las ich mit großem Interesse den Artikel über „Das trojanische Konzert“, der mich, das möchte ich zugeben, zum Teil sehr amüsierte. In diesem Artikel geht es um sechs Konzerte, die von der Chronika Buchhandlung veranstaltet und von mir künstlerisch und organisatorisch betreut werden und die alle 1999 stattfinden sollen. Worin besteht das Problem? Hat die Chronika Buchhandlung jemals ein Konzert angekündigt, das aus „klammheimlichen“ oder anderen Gründen abgesagt wurde? Haben die Chronika Buchhandlung oder ich jemals einen Künstler dahingehend getäuscht? Natürlich nicht. Herr Herrmann war sich, während er diesen Artikel schrieb, jeden Augenblick darüber im klaren, daß alle von ihm benannten Künstler nach Berlin kommen würden. Hinsichtlich dessen gab es für ihn gar keinen Zweifel. Warum also dieser ganze Aufriß, warum diese bewußte Desinformation? Gibt es überhaupt ein Problem?

Wenn es ein Problem gibt, dann besteht es vielleicht einfach darin, daß Herr Herrmann genau das macht, was er mir vorwirft: Vielleicht instrumentalisiert er einfach nur den TIP, um den einen Veranstalter – die Chronika Buchhandlung – kaputtzumachen, damit er einem anderen Veranstalter griechischer Musik in Berlin - Takis Mitsidis -, mit dem er sehr eng befreundet ist, dazu verhilft, das Monopol über die griechische Musikszene zu erlangen. Es geht also – das meine These – um den „griechischen Markt“. Nur so lassen sich die kleinlichen Haßtiraden des Herrn Herrmann erklären, der damit – offenbar unterstützt durch die TIP-Musikredaktion – die wirtschaftlichen Interessen seines Busenfreundes Takis Mitsidis publizistisch verteidigt. Und es ist nur allzu verständlich, daß genau dieser griechische Veranstalter Herrn Herrmann bei den „Recherchen“ zu seinem Artikel angestiftet und geholfen hat und ihm mit Rat und Tat zur Seite stand.

Aber der Reihe nach: Tatsächlich gab es einen Termin für ein Dalaras- Konzert, der aber im Einvernehmen mit dem Künstler drei Monate vor dem geplanten Veranstaltungstag verschoben wurde. Ich bin lange genug im Geschäft und Sie als Musikredakteure ja auch, um zu wissen, daß in diesem Vorgang nichts Unübliches liegt, zumal noch keine einzige Eintrittskarte verkauft und nicht die kleinste Werbung gemacht worden war. Konzert-, sogar ganze Tourneeverschiebungen sind an der Tagesordnung. Was bewog also Herrn Herrmann, aus Herrn Laser und Herrn Ioannou von der Chronika Buchhandlung gleich „schwarze Schafe im Veranstalterbereich“ zu machen, vor denen öffentlich gewarnt werden muß? Zumindest hätte er – um wenigstens journalistisch korrekt zu sein – die Veranstalter oder Anna Dalaras oder das Dalaras-Management nach den Gründen für die Verschiebung fragen können. Warum hat Herr Herrmann das Einfachste von der Welt unterlassen? Weil er dann seinen Artikel nicht hätte schreiben können. Ich lege ein Fax des Agenten von Herrn Dalaras in dieser Sache bei, aus dem hervorgeht, daß das Konzert tatsächlich gebucht und anschließend im gegenseitigen Einvernehmen verschoben wurde. Somit entpuppt sich bereits der Ansatz Ihres Artikels als eine riesige Seifenblase.

Herr Herrmann nennt in diesem Zusammenhang auch andere Namen. Die Sängerin Elli Paspala, die angeblich keine Vereinbarungen bezüglich des Konzertes getroffen hat, ist eine langjährige Freundin von mir, mit der ich seit Ende der achtziger Jahre auch bei diversen Produktionen zusammengearbeitet habe. Ich kann Ihnen versichern, daß Elli überhaupt keinen Manager, sondern in dieser Sache einen Vertreter – nämlich Herrn Tim Dowdall –, beauftragt hat. Sie war sehr entrüstet, als ich ihr erzählte, daß dem TIP von „ihrem Management“ eine schriftliche Erklärung vorläge. Sie hat Herrn Dowdall beauftragt, dies zu dementieren, was er im beiliegenden Fax auch tut.

Mit Dimitra Galani habe ich Konzerte gemacht, da kannte Herr Herrmann nichtmal ihren Namen. Ich weiß nicht, mit welchen Agenten die Künstlerin in Griechenland kooperiert, ich treffe jedenfalls alle meine Verabredungen direkt mit ihr. Sie weiß von diesem Konzert seit dem vergangenen September, als ich mit ihr den Termin vereinbart hatte.

Das wird Ihnen selbst Herr Spiros Papanastasiou aus Athen bestätigen, jener Agent, von dem Herr Herrmann das dem TIP vorliegende „beweiskräftige“ Fax erhalten hat. Dessen Inhalt wurde mir durch Herrn Papanastasiou mitgeteilt. Darin steht, daß es zwischen Herrn Papanastasiou bzw. seinem Büro und der Chronika Buchhandlung keine vertragliche Vereinbarungen gibt. Die kann und wird es auch nicht geben, weil es Vereinbarungen nur zwischen mir als dem Produzenten und den Künstlern direkt gegeben hat. Auch das hätte ihr rasender Reporter einfach bei der Chronika Buchhandlung erfragen können. So aber fallen seine „professionellen Recherchen“ in die abgrundtiefe Leere.

Herr Spiros Papanastasiou wird Ihnen auch schriftlich mitteilen, daß er in dieser Angelegenheit Elli Paspala nicht vertritt. Die Benutzung der Aussage des dem TIP vorliegenden Faxes bedeutet also einen riesengroßen Bluff und somit auch eine Täuschung des Leserpublikums.

Was hat Herr Herrmann noch zu bieten? Richtig, die „schwarze Zukunft“, die der griechischen Musikszene u.a. durch meine Machenschaften droht. Ich habe mit dem zitierten Herrn Kostas Papanastassiou (von Terzo Mondo in Berlin) gesprochen, der Ihnen selbst diesbezüglich schreiben wird. Ich möchte an dieser Stelle nur anmerken, daß der springende Punkt in diesem „Zitat“ (eine wahrlich journalistische Meisterleistung) in der Wendung „Diese Vorkommnisse“ liegt, die eine allgemeine Aussage, die wir alle unterschreiben würden, für die eigenen Zwecke instrumentalisiert.

Da nicht sein kann, was nicht sein darf – nämlich daß die Chronika Buchhandlung auch mal ein gutes und erfolgreiches Konzert veranstaltet –, schwingt sich Herr Herrmann zu einem der Höhepunkte seiner Manipulationskunst auf: Er will beim Leser den Eindruck erwecken, daß sich die Chronika Buchhandlung in der Berliner Zeitung einen „schmeichlerischen Erguß“ über das Farantouri-Kirchmann-Konzert organisiert habe, um ihn in der eigenen Zeitschrift nochmal abdrucken zu können. Abgesehen davon, daß diese Behauptung eine Ungeheuerlichkeit gegenüber der Berliner Zeitung und dem konkreten Journalisten – den ich persönlich nicht kenne – darstellt, möchte ich Sie bitten, den Artikel in der Berliner Zeitung, den ich beilege, zu lesen, um über den Gemütszustand Ihres journalistisch amoklaufenden Mitarbeiters Aufschluß zu erhalten. Einen solch sachlichen Artikel kann nur jemand als „schmeichlerischen Erguß“ apostrophieren, der jede objektive Distanz verloren hat …

Aber der Herrmannsche Vernichtungsfeldzug kennt keine Grenzen: Ganz nebenbei soll das soeben genannte Farantouri-Kirchmann-Konzert, „das selbst die treuesten Farantouri Fans irritiert zurückließ“ diskreditiert werden. Immerhin muß diesem bemitleidenswerten Konzert sogar „publizistisch abgeholfen werden“. Herr Herrmann, der selbst beim Konzert nicht anwesend war, kann sich bald in ARTE oder im Griechischen Fernsehen ERT das „schreckliche“ Konzert ansehen (beide Sender werden unsere Aufzeichnung ausstrahlen) oder sich später die CD oder das Musikvideo des Live-Mitschnitts kaufen, die bei einem großen Plattenlabel veröffentlicht werden.

Aber es kommt noch dicker: Herr Herrmann behauptet wider besseres Wissen, daß „aufgrund dessen“ – seinem Text folgend: aufgrund dieser Publikation in der Berliner Zeitung und der Chronika – es in der griechischen Presse die „irreführende Andeutung“ gegeben habe, es „seien mehr als 700 Besucher gekommen“. Zum Glück, daß Feuerwehrmann Herrmann dahereilt, dies im Dienste der Allgemeinheit schnellstens zu berichtigen. Nur daß er ein wichtiges Detail verschweigt: Nicht „aufgrund dessen“ stand diese Zahl in der griechischen Presse, sondern weil die Chefredakteurin der größten griechischen Musikzeitschrift DIFONO, Frau Anna Vlavianou, im Berliner Konzert gesessen und darüber einen Artikel geschrieben hat, den ich ebenfalls beilege. Herr Herrmann, der diese Zahl aus diesem Artikel kennt, wußte und verschwieg es wohlweislich. Wie sovieles andere mehr.

So besteht das Herrmannsche Pamphlet aus viel heißer Luft, und es scheut auch nicht die Peinlichkeit, meine „Gattin“ – wie Herr Herrmann sie liebevoll apostrophiert – im feinsten Super-Illu-Jargon mit ins Spiel zu bringen. Denn Herr Herrmann hat es offenbar auf mein ganzes Leben abgesehen: Es schlägt ihm sichtlich auf den Magen, daß ich zum Musikredakteur bei der Chronika-Zeitschrift „aufgestiegen“ bin, noch mehr jedoch, daß ich als „persönlicher Manager“ (Anführungsstriche diesmal von ihm) von Maria Farantouri „firmiere“ und – wie furchtbar! – ein Interview mit ihr geführt habe. Das muß wirklich bestraft und – Herrmann sei Dank – dem Berliner Publikum schnellstens mitgeteilt werden! Aber, Sie wissen ja, Papa Mikis braucht nur einmal mit dem Finger zu schnipsen, und Tante Maria nur mit den Augen zu zwinkern, und gleich gehts ab ins Studio, und zu dritt singen wir „Asteri mou, fengari mou“!

Für mich ist es jedenfalls interessant zu beobachten, welche Befreiungsversuche jemand anstrengt, um sich aus der Sackgasse, in die er sich einmal blindwütig verrannt hat, wieder herauszuwursteln. Dümmeres als dem Fuchs, der an die süßen Trauben nicht ranreichen kann, und der schließlich sagt: Die will ich ja gar nicht, weil sie sowieso zu sauer sind!, Dümmeres konnte Meister Herrmann und seinem Freund Takis Mitsidis nicht einfallen – aber ich frohlocke nicht. Wennschon nicht die Trauben, dann ist immerhin doch auch die Intrige eine Frucht voll süßen Saftes. Und so bin ich nach der aufschlußreichen Lektüre seines Artikels auf weitere Überraschungen des Mister Schreckschuß – ob nun rückengedeckt durch die TIP-Redaktion oder nicht – zumindest gefaßt, ganz gleich, aus welchem Furzloch sie dann wieder donnern werden.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, daß das Einzige, was mich am Artikel wirklich gestört hat, weil es an den Haaren herbeigezogen ist und der Sache überhaupt nicht gerecht wird, jener Seitenhieb auf meinen Text in der Chronika-Zeitschrift über mein Theodorakis-Werkverzeichnis ist. Das „anonym“ verfaßte Interview ist nicht anonym, sondern ein kurzer Text von mir, dem die Chronika-Redaktion völlig legitim die Form eines Interviews gegeben hat. Über das diffamierende „abfeiern“ können Sie sich selbst ein Urteil erlauben: Ich lege meinen Text als Kopie bei. Ihr Autor konnte sich darüber nur „wundern“, was immer das bedeuten mag, jedenfalls war ihm dieses „Wundern“ so wichtig, das er es in seinem Artikel herausstreichen mußte. Wenn Sie mir erklären können, was es daran Verwunderliches gibt, so teilen Sie es mir bitte mit. Was ihr Autor geschrieben hat, ist ganz einfach bullshit.

Das Ärgerliche daran ist, daß mich dieses Buch sieben Jahre harter Arbeit gekostet hat und von der Presse in Griechenland als Meilenstein der griechischen Musikliteratur angesehen wird. Der griechische Kulturminister hielt die Hauptrede bei der Vorstellung meines Buches in Athen, und Spiros Evangelatos, der bedeutendste Theaterregisseur Griechenlands, machte mir die Ehre, sich zu einigen Aspekten meines Buches anschließend zu äußern. Das ist tatsächlich „Abfeiern“, nicht aber mein sachlicher Text über das Buch, von dem zur Zeit eine deutsche und eine englische Übersetzung in Vorbereitung sind. Und nun kommt ein schwadronierender Herrmann und versucht, mir ans Bein zu pinkeln.


Da ich selbst fast fünfzehn Jahre lang auch journalistisch gearbeitet, über dreißig Bücher in Deutschland herausgegeben habe, sowie mehrere Jahre an Zeitschriftenprojekten beteiligt und fast zwei Jahre lang auch Chefredakteur einer literarischen Zeitschrift war, verstehe ich jede Redaktion, die sich hinter ihre Mitarbeiter stellt. Ich möchte Sie trotzdem bitten, den Herrmannschen Artikel zu LESEN …

Nach meiner Ansicht handelt es sich dabei um einen diffamierenden, sehr tendenziös und vorsätzlich böswillig geschriebenen Beitrag, der noch dazu - was das Schlimmste ist - in einem schlechten Deutsch geschrieben wurde und viele stilistische Schwächen offenbart ...

Mit freundlichen Grüßen

Asteris Kutulas, 24.1.1999

 

 

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