Holocaust Museum Washington

November 1999. Im Washingtoner Holocaust Museum soll Gert für die „Mauthausen-Kantate" von Mikis Theodorakis, gesungen von Maria Farantouri, Licht und Bühne machen. Eine Benefiz-Veranstaltung. Die Möglichkeiten vor Ort sind spärlich. Gert bittet mich, 100 große Kerzen zu besorgen – für die Seelen der Ermordeten, sagt er. Gert ordnet die Kerzen auf der Bühne. Das Konzert findet in dieser Atmosphäre statt, wie in einem Kirchenschiff. Ein Requiem für die Opfer des Nationalsozialismus. Maria singt wie eine Göttin.

Beim Hören der Mauthausen-Lieder hier an diesem Ort, fällt mir auf, dass sich die hebräische und die griechische Musik sehr ähnlich sind, man könnte sagen: nah. Nicht selten melancholisch anmutende Lieder, nicht selten ein schwermütiger Text, gefasst in eine lebensfrohe Melodie. Eine heitere Melodie, die Last des Tragischsten auf sich nehmend, bedeutet nicht unbedingt immer, dem Tod ins Angesicht zu lachen. Bedeutet eher, ihm zu trotzen, durch ihn hindurch und wieder aus ihm hervor zu gehen. Wie die Erde, die Stümpfe verbrannter Bäume hält, im Herbst und Winter sich vorbereitet, damit der Berg im Frühjahr sich erneut begrünt, mit Büschen voll Millionen kleiner Sterne.

Die lebendige Mahnung von Mauthausen ist ein Schritt auf dem Weg zu jener Erkenntnis. Dass mono- und polytheistischer Glaube und Atheismus irgendwann nebeneinander bestehen oder deren jeweils menschlichste Werte gar miteinander verschmelzen werden - eine großartige Utopie.

Musik kann uns diesem Traum ein wenig näher bringen. Musik ist das Medium, ideal, als „Verlängerungslinie" in den offenen Raum zu wirken. Ideal, die Grenzen unserer geistigen Welt zu sprengen und unsere Sehnsüchte hinüber zu transportieren, über die Schwelle zu dem, von dem wir noch nicht wissen, was es sein wird, das aber unsere jetzigen Vorstellungen in sich aufnehmen wird. Eine zukünftige Heimat des Menschen. Ein nicht-beschränkter Planet. Und wir: Millionen winzige Sterne, frei in Zeit und Raum.

© Asteris Koutoulas (inspiriert von Ina Koutoulas)


WASHINGTON – MAUTHAUSEN CANTATA
HOLOCAUST MEMORIAL MUSEUM, OCTOBER 28TH 1999
MUSIC COMPOSED BY MIKIS THEODORAKIS
PERFORMED BY MARIA FARANTOURI
Light & Stage Design by Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the Foundation of Hellenic Culture
Promoted by Peter Pappas


In some ways, Jewish music and Greek music are very similar, one could say close: many songs that appear melancholy, many sad texts set to cheerful melodies. These elements that link the two peoples are also present in some of the songs of the Mauthausen Cycle. In the nature of the sounds created by Mikis Theodorakis to the verses of Iacovos Kambanellis lies the secret that, across the borders of language, quickly created a basis of understanding for the message of the Mauthausen songs. A merry melody does not always necessarily mean laughing in the face of death. But withstanding death. Like the earth, bearing the trunks of burnt-out trees, preparing herself in autumn and winter so that the mountain will be green again in the spring, with bushes full of millions of little stars.
Mauthausen is the symbol of the attempt to exterminate not just a people, but also at the same time the wisdom of a people. That the attempt failed, and that similar attempts will fail in the future, is beyond question. The work of men and women of all continents, individuals who find the meaning of life in the development of the spirit through research, philosophy, poetry and music, this work guarantees that a culture befitting human beings will ultimately triumph over violence and stupidity. The question is, how dearly we will have to pay for this "ultimately". For dictators of all colours intentionally overlook the fact that the basic ideas of human coexistence are preserved in the knowledge not of one people alone, but of all peoples.
The living reminder of Mauthausen is a step in the direction of this understanding. That some day, monotheistic and polytheistic faiths will exist side by side with atheism, or even that the most humane values of each will melt into one another: a sublime Utopia.
Music can bring us a step closer to this dream. Music is the medium, ideal as a line of projection into open space. Ideal for breaking down the barriers of our spiritual world and carrying over our desires, over the threshold to something as yet unknown, but which will comprehend our ideas of today. A future home for mankind. An unlimited planet. And us, millions of tiny stars, free in time and space.

Ina & Asteris Koutoulas
English translation supervised by Ariel Parker


 

Bereits 1995 hatte ich als Produzent von Mikis und Maria im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen aus Anlaß der 50jährigen Befreiungsfeier ein Konzert organisiert, bei dem die Mauthausenlieder in drei Sprachen aufgeführt wurden: Elinor Moav Veniadis sang auf Hebräisch, Gisela May auf Deutsch und Maria Farantouri auf Griechisch.

Fünf Jahre später veröffentlichte ich zusammen mit Alexandros Karozas als Ko-Produzenten eine CD mit der „Mauthausen-Trilogy“, gesungen von Elinor Moav Veniadis auf Hebräisch, Nadja Weinberg auf Englisch und Maria Farantouri auf Griechisch. Simon Wiesenthal erlaubte uns, seine Rede mitzuveröffentlichen und schickte uns auch für das CD-Cover Bilder, die er in Mauthausen gezeichnet hatte:

Mikis Theodorakis, Mauthausen Trilogy (2000), In Memoriam of Liberation, With a speech of Simon Wiesenthal, Pläne Records, Produced by Asteris Kutulas & Alexandros Karozas.



A good friend of mine, the poet Iacovos Kambanellis, was a prisoner in Mauthausen during World War II. At the beginning of the sixties, he wrote his memories of this time under the title of "Mauthausen". In 1965, he also wrote four poems on the subject and gave me the opportunity to set them to music. I did this with much pleasure, firstly because I liked the poetry of the texts, and secondly because I was myself locked up during the Nazi occupation in Italian and German prisons, but mainly because this composition gives us the chance to remind the younger generation of history, that history that must never be forgotten.
First and foremost, of course, the Mauthausen Cantata is addressed to all those who suffered under Fascism and fought against it. We must keep the Nazi crimes continually in our minds, because that is the only guarantee and the only way to assure that they are not repeated. And we can see every day that the ghost of Fascist is far from being laid. It seldom shows its real face, but Fascist cultures and mentalities exist all over the world. For us, who had to live through this time of horror, the most important task is to protect our children against this peril.

Mikis Theodorakis
English translation supervised by Ariel Parker


Jakovos Kambanellis
Mauthausen-Lieder


Das Hohelied

Wunderschön ist meine Liebste
In ihrem Alltagskleid,
Mit einem Kamm im Haar.
Keiner wusste, dass sie so schön ist.

Ihr Mädchen aus Auschwitz,
Ihr Mädchen aus Dachau,
Habt ihr meine Liebste geseh’n?

Wir sahen sie auf einer langen Reise,
Sie trug ihr Kleid nicht mehr,
Auch keinen Kamm im Haar.

Wunderschön ist meine Liebste,
Von der Mutter behütet,
Vom Bruder beschützt.
Keiner wusste, dass sie so schön ist.

Mädchen aus Mauthausen,
Mädchen aus Bergen-Belsen,
Habt ihr meine Liebste geseh’n?

Auf einem zugigen Platz sah’n wir sie,
Mit einer Nummer auf dem nackten Arm,
Den Davidstern geheftet an ihr Hemd.


Andonis

Dort auf der breiten Treppe,
Auf der Treppe der Tränen,
Im tiefen “Wiener Graben”,
Im Steinbruch der Klagen.

Dort laufen Juden und Partisanen,
Stürzen Juden und Partisanen,
Schleppen Steine auf dem Rücken,
Steine wie das Kreuz des Todes.

Dort hört Andonis die Stimme,
Hört die Stimme, die fleht:
Kamerad, o Kamerad,
Hilf mir die Treppe hinauf!

Doch dort auf der breiten Treppe,
Dort auf der Tränen Treppe
Ist solche Hilfe Schande,
Ist solch ein Mitleid Fluch.

Der Jude stürzt auf der Treppe,
Die Treppe färbt sich rot.
Und du, mein Junge, komm mal her,
Schlepp jetzt einen doppelt so großen Stein.

Ich nehm einen zweimal, dreimal so großen.
Ich heiße Andonis,
Und bist du ein Mann, komm her,
Auf den marmornen Druschplatz.


Der Flüchtling

Janos Beer aus dem Norden
Erträgt nicht länger den Stacheldraht.
Er fasst sich ein Herz, ihm wachsen Flügel,
Er flieht durch die Dörfer im Tal.

Frau, gib mir Brot,
Jacke und Schuhe.
Ich hab einen weiten Weg vor mir,
Muss bis ans andere Ufer der Seen.

Doch wohin er auch kommt,
Regier’n Furcht und Schrecken
Und jene Stimme, grausame Stimme:
Haltet euch von dem Flüchtling fern!

Ich bin kein Mörder, ihr Christen,
Kein Ungeheuer, das euch Verderben bringt.
Ich floh aus der Gefangenschaft
Und bin auf dem Weg nach Haus.

Ach, welch tödliches Veröden
Im Land von Bertolt Brecht.
Janos wird der SS ausgeliefert,
Zur Hinrichtung wird er gebracht.


Wenn der Krieg zu Ende geht

Mädchen mit angsterfüllten Blicken,
Mädchen mit eiskalten Händen,
Wenn der Krieg zu Ende geht, vergiss mich nicht.

Alle Freude der Welt – komm ans Tor!
Wir wollen uns auf der Straße umarmen!
Lasst Küsse uns tauschen auf dem Platz!

Wir wollen einander lieben im Steinbruch,
In den Gaskammern,
Auf den Wachtürmen und auf der Treppe.

Uns lieben am helllichten Mittag,
An allen Orten des Todes,
Bis sein Schatten entweicht.


© Übertragen von Asteris & Ina Kutulas


Die Mauthausen-Songs gehören zu den bekanntesten Liedern von Mikis Theodorakis. Dieser Zyklus ist wahrscheinlich weltweit das bekannteste Werk, das einem Konzentrationslager gewidmet wird. Er ist tausende Male auf der ganzen Welt in auf griechisch, hebräisch, deutsch oder englisch aufgeführt worden und die vielen CDs mit den verschiedenen Versionen dieses Liederzyklus haben sich millionen mal verkauft. Theodorakis komponierte diese Songs 1964, nachdem ihm der Dichter Jakovos Kambanellis, der selbst jahrelang im KZ Mauthausen gefangen gewesen ist, die vier Texte gegeben hatte. Seit 1965 hat Theodorakis diese Lieder in über 70 Länder aufgeführt, darunter in Israel, im KZ Mauthausen, im Washingtoner Holocaust Museum und im KZ Dachau. Der Liederzyklus gehört zu den emotionalsten und krfatvollsten Werke über das Leid des Holocaust.

The Mauthausen songs are among the most popular songs written by Mikis Theodorakis. It is perhaps the best-known musical composition dedicated to the victims of the concentration camps during der World War II. These songs have been performed thousands of times in Greek, Hebrew, Italian, German, Swedish and English all over the world. Dozens of CDs with different versions of this work reached sales of several million copies during the last 45 years. These songs have been performed by Mikis Theodorakis himself and by many other artists like Zubin Mehta, Maria Farantouri etc. on many locations worldwide, including the Mauthausen concentration camp itself as well as in Israel, at the Washington Holocaust Museum and the Dachau concentration camp. These songs belong to the most emotional and powerfull works about the tragedy of the Holocaust.



 

 

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