A friend of mine, the poet Iacovos Kambanellis, was a prisoner in Mauthausen during World War II. In 1965, he wrote four poems on the subject and gave me the opportunity to set them to music. I did this with much pleasure, firstly because I liked the poetry of the texts, and secondly because I was myself locked up during the Nazi occupation in Italian and German prisons, but mainly because this composition gives us the chance to remind the younger generation of history, that history that must never be forgotten. (Mikis Theodorakis)
Das Foto machte ich im Mai 1995 auf dem Appellplatz des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen bei Linz. Jakovos Kambanellis sitzt neben Theodorakis auf der Bühne, mit feuchten Augen, und sieht vor sich etwa 25.000 Menschen. Überlebende, Angehörige und diejenigen, die erinnern wollen. Er, ehemaliger Mauthausen-Häftling, hatte Anfang der sechziger Jahre die Gedichte für die „Mauthausen-Kantate“ geschrieben, die Theodorakis 1963 vertonte. Dieser Liederzyklus wurde nun hier in Mauthausen in drei Sprachen gesungen; von Maria Farantouri auf Griechisch, von Gisela May auf Deutsch und von Elinoar Moav auf Hebräisch.
Wir hatten 1995 anlässlich des 50.Jahrestages der Befreiung des KZs ein Konzert organisiert und nahmen an den Feierlichkeiten teil. Der österreichische Bundeskanzler Vranitzky hielt eine Rede, und dann sprach Simon Wiesenthal. Eine erschreckend klare Sprache, sehr emotional, eindrucksvoll, unter die Haut gehend.
Eine Parallelwelt des Erinnerns, fernab des Alltags fast aller Menschen. Hier entäußerte sie sich, für einen kurzen Moment, ein Aufflackern – dann wieder Vergessen.
© Asteris Kutulas
*****
Jakovos Kambanellis
MAUTHAUSEN-LIEDER
Das Hohelied
Wunderschön ist meine Liebste
In ihrem Alltagskleid,
Mit einem Kamm im Haar.
Keiner wusste, dass sie so schön ist.
Ihr Mädchen aus Auschwitz,
Ihr Mädchen aus Dachau,
Habt ihr meine Liebste geseh’n?
Wir sahen sie auf einer langen Reise,
Sie trug ihr Kleid nicht mehr,
Auch keinen Kamm im Haar.
Wunderschön ist meine Liebste,
Von der Mutter behütet,
Vom Bruder beschützt.
Keiner wusste, dass sie so schön ist.
Mädchen aus Mauthausen,
Mädchen aus Bergen-Belsen,
Habt ihr meine Liebste geseh’n?
Auf einem zugigen Platz sah’n wir sie,
Mit einer Nummer auf dem nackten Arm,
Den Davidstern geheftet an ihr Hemd.
Andonis
Dort auf der breiten Treppe,
Auf der Treppe der Tränen,
Im tiefen “Wiener Graben”,
Im Steinbruch der Klagen.
Dort laufen Juden und Partisanen,
Stürzen Juden und Partisanen,
Schleppen Steine auf dem Rücken,
Steine wie das Kreuz des Todes.
Dort hört Andonis die Stimme,
Hört die Stimme, die fleht:
Kamerad, o Kamerad,
Hilf mir die Treppe hinauf!
Doch dort auf der breiten Treppe,
Dort auf der Tränen Treppe
Ist solche Hilfe Schande,
Ist solch ein Mitleid Fluch.
Der Jude stürzt auf der Treppe,
Die Treppe färbt sich rot.
Und du, mein Junge, komm mal her,
Schlepp jetzt einen doppelt so großen Stein.
Ich nehm einen zweimal, dreimal so großen.
Ich heiße Andonis,
Und bist du ein Mann, komm her,
Auf den marmornen Druschplatz.
Der Flüchtling
Janos Beer aus dem Norden
Erträgt nicht länger den Stacheldraht.
Er fasst sich ein Herz, ihm wachsen Flügel,
Er flieht durch die Dörfer im Tal.
Frau, gib mir Brot,
Jacke und Schuhe.
Ich hab einen weiten Weg vor mir,
Muss bis ans andere Ufer der Seen.
Doch wohin er auch kommt,
Regier’n Furcht und Schrecken
Und jene Stimme, grausame Stimme:
Haltet euch von dem Flüchtling fern!
Ich bin kein Mörder, ihr Christen,
Kein Ungeheuer, das euch Verderben bringt.
Ich floh aus der Gefangenschaft
Und bin auf dem Weg nach Haus.
Ach, welch tödliches Veröden
Im Land von Bertolt Brecht.
Janos wird der SS ausgeliefert,
Zur Hinrichtung wird er gebracht.
Wenn der Krieg zu Ende geht
Mädchen mit angsterfüllten Blicken,
Mädchen mit eiskalten Händen,
Wenn der Krieg zu Ende geht, vergiss mich nicht.
Alle Freude der Welt – komm ans Tor!
Wir wollen uns auf der Straße umarmen!
Lasst Küsse uns tauschen auf dem Platz!
Wir wollen einander lieben im Steinbruch,
In den Gaskammern,
Auf den Wachtürmen und auf der Treppe.
Uns lieben am helllichten Mittag,
An allen Orten des Todes,
Bis sein Schatten entweicht.
© Übertragen von Asteris & Ina Kutulas
Ein guter Freund von mir, der Dichter Iacovos Kambanellis, war während des Zweiten Weltkriegs Gefangener in Mauthausen. Anfang der sechziger Jahre schrieb er seine Erinnerungen auf. Sie tragen den Titel: “Mauthausen”. 1965 verfasste Iacovos außerdem vier Gedichte zu diesem Thema, die er mir gab, damit ich sie vertone. Ich habe das sehr gern gemacht, erstens weil mir die Poesie dieser Texte gefallen hat und zweitens weil ich während der Besatzungszeit selbst inhaftiert war, in Gefängnissen der Italiener und der Deutschen; vor allem aber, weil ich sah, dass wir die Möglichkeit haben würden, mit Hilfe dieser Kompositionen den Jugendlichen die Geschichte in Erinnerung zu rufen, Ereignisse, die niemals vergessen werden dürfen. Die Mauthausen-Lieder richten sich natürlich vor allem an diejenigen, die unter dem Faschismus gelitten und gegen ihn gekämpft haben. Wir alle müssen uns aber immer wieder die Verbrechen der Nazis vor Augen halten, weil das eine Grundbedingung dafür ist, dass sich solche Dinge nicht wiederholen können. Wir sehen täglich, dass der faschistische Geist noch längst nicht erloschen ist. Oft zeigt er nicht sein wahres Gesicht, aber faschistische Kulturen und Mentalitäten gibt es überall auf der Welt. Für uns, die diese Schreckenszeit durchleben mussten, ist die wichtigste Aufgabe, unsere Kinder vor dieser Gefahr zu schützen.
© Mikis Theodorakis
© Übersetzt von Asteris Kutulas
Mauthausen
Mikis Theodorakis
zurück
zur Themenauswahl
|