Das letzte Jahrhundert vor dem Menschen
Begegnungen mit Ritsos (1982-89)


[Im folgenden Text veröffentliche ich einen Großteil meiner Notizen über meine Begegnungen mit Jannis Ritsos, die zwischen 1982 und 1989 zumeist während meinen Griechenland-Aufenthalten stattfanden, aber auch meine verstreuten Gedanken über sein Werk. Ich habe meine ehemals flüchtigen Aufzeichnungen lediglich einer stilistischen Überarbeitung – ohne nachträgliche Hinzufügung oder inhaltliche Korrektur – unterzogen.]


18.3.1982, Athen
“Kommen Sie doch bitte zu mir!” Eine helle und klare Stimme aus dem Telefon. Trotz des Trubels, der allmittäglich die Kioske mit ihren zwei oder drei Telefonen im Zentrum Athens einhüllt, war sie deutlich zu hören; interessiert und höflich. “Kommen Sie doch bitte zu mir! Haben Sie meine Adresse?... Ich wohne Koraka-Straße Nummer 39. Kennen Sie den Weg hierher?... Nicht! Sie sind jetzt im Zentrum? ... Gut. Dann steigen Sie am besten in die U-Bahn am Omoniaplatz, fahren aber nicht Richtung Piräus, sondern nehmen die Bahn nach Kifissia und steigen an der Haltestelle Heiliger Nikolaos aus. Könnten Sie um eins bei mir sein? ... Also, ich erwarte Sie.”
Zwei Zimmer im vierten Stock eines Athener Mietshauses. Plebejisches Viertel. Vom Balkon schaut man auf eine Schule mit riesigem Hof, eingekeilt zwischen leergefegten Straßen und schlohweißen mehrstöckigen Häusern. Ein Brausen aus Motorgeräuschen, Rufen und Kindergeschrei hält sich hartnäckig in der Luft. Links das große Wohnzimmer, das sich durch eine offengehaltene Schiebetür teilen ließe. Rechts Küche und Bad, gegenüber das Schlafzimmer. Der Raum vollgestopft mit Büchern, Briefen, Gemälden, Andenken, Stoffbären in allen möglichen Farben und Variationen, Schallplatten (vorwiegend Bach), ein kleiner, nicht mehr neuer Recorder und die dazugehörigen Kassetten (vorwiegend Bach). Auf Fußboden, Stühlen und Tischen plaziert, in hierarchischer Ordnung, Hunderte von bemalten Steinen, Knochen, Wurzeln. Zwei Sessel für Besucher und zwei Stühle gegenüber seiner Couch, auf der sich links und rechts Briefe und Bücher stapeln.

12.11.1982, Athen
Von 12 bis etwa 4 Uhr nachmittags bei Ritsos. Ich hatte mich um zwanzig Minuten verspätet, worauf er mich freundlich aufmerksam machte. Ritsos pocht auf Pünktlichkeit, läßt nicht einmal die chaotische Verkehrssituation in Athen gelten. Eri, seine Tochter, ist zu Besuch. Sie hat in Großbritannien Anglistik studiert und kehrte vor kurzem nach Griechenland zurück.
Warum die Zahl 3 in seinen Gedichten so oft vorkommt, will ich wissen. Das war mir bei der Übersetzung der “Monochorde” aufgefallen. “Kommt die 3 oft vor, ja?... Tatsächlich, es sind 336 Monochorde... Warte mal! Ich habe noch zwei Reihen 'Monochorde' geschrieben, die unveröffentlicht sind.” Er steht auf, geht zum schwarzen Schreibtisch, kommt zurück mit einem in Leder gebundenen Block. “Diese Reihe hier besteht aus 332 Monochorden, die andere kann ich jetzt nicht finden ... Ja, die 3 scheint wirklich meine Lieblingszahl zu sein. Vielleicht, weil man von jeder anderen Zahl irgendwie auf die 3 kommt. Sie ist das Zeichen christlicher Dreieinigkeit und für vieles ein Symbol. Aber eigentlich liebe ich die 9 noch mehr. Ich weiß selbst nicht warum. Es hat aber nichts mit Mystik zu tun. Vielleicht, weil ich im Jahre 1909 geboren wurde. Wegen dieser 9? Natürlich mag ich auch den Klang dieser beiden Zahlen, TRIA, TRIA, ENEA, ENEA ... Und das ist mir besonders wichtig.”
Bedächtig zündet er sich eine nächste Zigarette an. “Als ich mich vor kurzem mit einem französischen Freund darüber unterhielt – er stellte mir dieselbe Frage –, hatte er die Idee, meine Vorliebe für die 9 rühre vom soixante-neuf her, von Liebe auf Französisch, also vom gegenseitigen Oralverkehr.” Er lacht, nimmt eine Zigarettenschachtel und malt mir eine liegende 69 auf. “Das könnte auch der Grund sein, ich weiß es nicht.” Neugierig sieht er mich an und führt die Zigarette zum Mund.

4.10.1983, Monemvassia
Die Insel Monemvassia, ganz in Licht gehüllt – ein Felsen, bizarr aus dem Meer ragend. Die Hitze lastet schon seit Tagen neblig-trüb auf den niedrigen Häusern.
Monemvassia hat eine viertausendjährige Geschichte, sagte der Wächter der Archäologischen Gesellschaft, als er uns zum Geburtshaus von Ritsos führte, hier finden Sie alles Mögliche: antike Säulen, klassizistische Mauerreste, byzantinische Kirchen, die venezianische Burg, türkische Bauten. Dann, betrübt, seine Sorgen: Wenn einige Touristen könnten, würden sie ganze Blöcke von Marmor mitnehmen.
Wir passierten den Vorhof einer alten, halbzerfallenen Kirche. Zwischen zwei graugrünen Feigenbäumen blitzte das Mirtoische Meer. Bei gutem Wetter, sagte der Wächter, kann man Kreta erkennen, zweihundert Kilometer von hier entfernt. Mir fiel der Vers von Ritsos ein, seine Assoziation: “fern der Rauch der Schiffe die dunstgezeichnete Insel Kreta das Blau und das andere Blau”. Und seine Erklärung: “Der Dichter empfindet Geschichte vermittelt über konkrete Erlebnisse, gegenständliche Eindrücke, Kindheitserinnerungen.”

23.11.1983, Leipzig
Uwes zentrale Frage: Wie machen/schaffen es bestimmte Leute, sich eine Ideal anzueignen und es dann – allen Widrigkeiten und Anfechtungen zum Trotz – ein Leben lang aufrechtzuerhalten? Ich weiß nicht, ob er das positiv meinte, aber vielleicht ist es gar nicht so positiv. Außerdem merke ich, wie die Begriffe nicht zutreffen, nichts erfassen, ins Bodenlose weisen.
Ritsos hatte, bevor ich ihn im September besuchte, die Geschichte der Mutter eines Mithäftlings von Makronissos erfahren und mir mit Anteilnahme weitererzählt: Als ihr Mann Ende der vierziger Jahre hingerichtet wurde, blieb sie, die blind war, allein mit ihren Kindern, völlig mittellos. Um ihren Mann begraben zu können, mußte sie zu einem Tischler außerhalb der Stadt gehen, der ihr einen Sarg zimmern würde. Sie bat eine Nachbarin, sie zu ihm zu führen. Die beiden Frauen zogen los, die Greisin führte die junge Blinde. Der Tischler machte ihr den Sarg, und sie schleppte ihn auf dem Rücken nach Hause. Die Nachbarin konnte ihr beim Tragen nicht helfen, konnte sie nur führen. Inzwischen war es Nacht.
Ritsos machte eine Pause und schaute mich an: Stell Dir dieses Bild vor, es läßt mich nicht los. Ist schon zu einem Gedicht geworden. Diese Frau nun ließ sich zu jedem 1.Mai die Fahne beschreiben, die aus ihrem Fenster hing. Als ihr Sohn dafür eine Metallstange nahm, wurde sie zornig: Die Fahnenstange, rief sie, muß aus Holz sein, ans Holz wurde auch Christus geschlagen. Und das Tuch muß lang sein, bis auf die Straße muß es reichen, daß es jedem Passanten gegen die Schulter schlägt.
Das erzählte Ritsos voller Bewunderung, und mir wurde klar, wie unterschiedlich wir gleiche Sachen bewundern. Und das nicht nur auf poetischer Ebene. Seine Voraussetzungen: Erlittenes Unrecht, erlebte Utopie. Meine?

19.4.1984, Athen
Gestern unterhielt ich mich mit Ritsos über die geschichtsphilosophischen Wurzeln des Pessimismus. So kamen wir auf Schopenhauer zu sprechen. “Schopenhauer war Pessimist”, sagte Ritsos, “weil er der erste desillusionierte Realpolitiker auf philosophischem Gebiet war. Trotzdem suchte auch er, möglicherweise unbewußt, nach dem Prinzip Hoffnung. Ich erinnere mich an eine Stelle in seinen 'Parerga und Paralipomena', wo er dem Gedanken nachgeht, ob es auf anderen Planeten Zivilisationen gäbe, die ihr Leben anders gestalteten als die Menschheit.”
Später befragte ich ihn zu seinem Iphigenie-Monolog. Goethes Iphigenie habe er nicht gelesen. “Ich wollte die Geschichte einer Frau schreiben. Jenseits vom 'Mythos'. Sie spricht über ihre alltäglichen Sorgen und Probleme. Sie erinnert sich ihres ganzen normalen Lebens, das das Schicksal der Atriden natürlich einschließt.”
Ritsos schenkte mir ein Exemplar seines soeben erschienen Romans “Mit dem Stoß des Ellenbogens”. Dann las er ein Kapitel aus dem gerade abgeschlossenen Manuskript “Der Alte mit dem Papierdrachen”. Die Geschichte ist einfach: Ein alter Mann beobachtet im Frühling ein paar Jungen, die Drachen steigen lassen. Er beneidet sie und würde am liebsten mitmachen. Aber er schämt sich, zu den Kindern auf die Wiese zu laufen und es ihnen gleichzutun. Eines Abends geht er auf das Flachdach seines Hauses und läßt einen selbstgebauten Drachen steigen. Zwei Kinder von nebenan entdecken ihn und fragen: “Opa, was machst du da, läßt du etwa einen Drachen fliegen?” Der Alte fühlt sich ertappt und beschwichtigt: “Nicht doch, Kinder, ich habe diesen Drachen gerade gefunden. Er wird irgendeinem Kind gehören und hat sich in meiner Veranda verfangen.” - “Dann gib ihn uns!” Darauf der alte Mann: “Das geht nicht, ich muß herausfinden, welchem Kind der Drachen gehört, und ihn zurückgeben.” Er packt den Drachen ein und geht schnell ins Haus.

23.5.1984, Dresden
Vorgestern in Leipzig Verleihung der Ehrendoktorwürde an Ritsos, den Eri begleitet. In seiner kurzen Ansprache machte er auf einen merkwürdigen Zufall aufmerksam: “Die Leipziger Universität wurde 1409 gegründet, und ich wurde 1909 geboren, also genau 500 Jahre später. Sie feierten in diesem Jahr Ihr 575. und ich meinen 75. Geburtstag. Ich bin in gewisser Weise ein Altersgenosse Ihrer Universität, nur 500 Jahre jünger. Rechnet man mir die griechische Tradition zugute, die in meinen Adern kreist, bin ich natürlich ein paar Tausend Jahre älter. Auf jeden Fall bin ich stolz darauf, Ehrendoktor einer Universität zu sein, an der ein Lessing, ein Leibniz und ein großer, ein sehr großer Autor, nämlich Goethe, studiert haben. Und auch weil mein Freund Pablo Neruda den Titel eines Ehrendoktors hier erhalten hat.”

6.9.1984, Athen
Ich erzählte Ritsos, daß mir die “Perser”-Aufführung im Herodes-Attikus-Theater nicht gefallen habe, ich aber den Text als äußerst modern empfände. “Das Interessante im Stück”, sagte Ritsos, “ist die deutlich artikulierte Liebe des Aischylos zu den Persern. Dieses Werk ist ein Antikriegsstück, weil Aischylos mehr die Niederlage und den Schmerz des persischen Volkes besingt, als den Sieg der Griechen. Man fühlt: Er klagt mit den Persern. Seine Überwindung des ‘hellenischen Nationalismus’ war äußerst wichtig für die gesamte antike Kultur.”
Ich sprach mit ihm über moderne Adaptionen des Mythos. Ritsos: “Gestalten aus der antiken Mythologie wie Orest, Iphigenie, Ismene konzentrieren in sich ganze Welten, deren Ursprünglichkeit und Wesenhaftigkeit durch den Umstand bewiesen werden, daß sie elementar in andere Literaturen Eingang fanden und deren Ausgestaltung mitbestimmten. Schon Platon und Aristoteles sind in ihrer Wirkung für die Literatur insgesamt nicht zu überschätzen. Was wäre ein Goethe ohne die Antike und um wieviel ärmer wäre die deutsche Literatur ohne die Gestalt von Hölderlins Diotima. Was wäre ein Brecht ohne Mythologie, obwohl bei ihm Anknüpfung und Entgegenung Hand in Hand gehen. Ich meine das alles nicht nationalistisch, aber gerade weil die Konstellationen, die die mytholgischen Gestalten repräsentieren, in ihrem Wesen allgemeinmenschlich sind und alle Grundmuster menschlichen Verhaltens in sich bergen, hatten sie diese internationale und diachronische Ausstrahlung.”
Warum er immer einen Bogen um zwei zentrale antike Figuren mache, fragte ich ihn, Ödipus und Klytämnestra treten in seinen Dichtungen nie als Protagonisten auf. “Du hast recht”, antwortete Ritsos, dieses Ausgeliefert-Sein des Ödipus behagt mir nicht. Daß er, ohne es zu wissen, seinen Vater Laios erschlägt und seine Mutter Iokaste heiratet. Alles bei Ödipus ist im voraus bestimmt. Er hat keine Chance. Sogar seine Blindheit ist schicksalsgegeben. Sein Name taucht zwar in vielen meiner Gedichte auf, aber ich gab ihm nie die poetische Eigenständigkeit eines Orest, Agamemnon, Ajax oder einer Chrysothemis. Bei Klytämnestra ist es anders. Auch sie tritt in keinem Gedicht als Protagonistin auf, ist aber in allen den Atridenmythos tangierenden Gedichten anwesend. Diese Frau ist allgegenwärtig; so, wie sie jeder sehen kann – mit ihren Sorgen und befangen in einem verzweifelten Kampf.”
Ritsos erzählte, daß er eine Einladung zu einer Vortragsreihe in die USA mit Poetik-Vorlesungen abgelehnt habe. Es lohne nicht den Aufwand, meinte er. “Außerdem”, fügte er hinzu, “ich bin nicht stolz darauf, ein ‘Künstler’ zu sein, sondern wäre stolz, als Wort-Arbeiter zu gelten, als Be-Arbeiter des Logos.”

1.4.1985, Athen
Arbeit in Ritsos’ Archiv. Während ich einige seiner unveröffentlichten Manuskripte durchlas, kam plötzlich Frau Miranda in die Wohnung und brachte für Ritsos einen Teller mit Klößchen aus Reis und Hackfleisch. Er lud mich so beharrlich zum Essen ein, daß ich meine Ablehnung nicht aufrechterhalten konnte ...
“Ich bin gebeten worden”, erzählte er kauend, “René Char ein Gedicht zu widmen. Ich habe aus diesem Anlaß wieder Gedichte von ihm gelesen, die mir sehr gefallen. Aber weißt du, was mir dabei auffiel? Daß ich einen bedeutenderen Dichter als Char kenne. Weißt du, wen ich meine?” – “Ich glaube schon.” – “Natürlich kennst Du ihn”, erwiderte er lächelnd. “Jannis Ritsos.”
Dann: “Das Mysterium besteht in der Nacktheit”. Er kenne wirklich nichts Geheimnisvolleres. Und auch nichts Unerschöpflicheres.

17.4.1985, Athen
Habe heute Jannis Ritsos besucht, der gut gelaunt war und mir u.a. folgendes sagte: „Elytis hat leuchtende, starke Bilder in seinen Gedichten. Sie verlieren bei jeder Übersetzung und müssen verlieren, weil sie nur auf Griechisch „funktionieren“. Als man sie ins Englische, glaube ich, übersetzte, waren Kritiker der Meinung, er würde bereits „vergangene“ Schreibweisen wiederbeleben wollen. Aber das macht er bestimmt nicht. Es gibt sehr viele Elytis-Gedichte, die mir sehr gefallen.“ Ritsos erwähnte, als ich von meinem Gespräch mit Elytis erzählte, daß dieser gesagt hätte, wie sehr ihm die Ritsos-Gedichte auf Französisch gefallen haben. Daß sie sich zur Übersetzung anböten.

Ritsos zu Seferis: "Der Briefwechsel ist interessant, aber seine Tagebücher sind mir zuwider. Dieses Ich-hab-mit-dem-und-dem-Tee-getrunken während des Bürgerkriegs, und draußen, auf der Straße passierten diese Ungeheuerlichkeiten. Das ist für mich inakzeptabel. Er war ein guter Dichter, sicher, aber das ..."
Die Diskussion entspann sich nach meiner Darstellung der Lektüre von "Die Einflüsse des Marxismus auf die griechische Dichtung" (Anagnostakis/Kulufakos/Argiriu). Ritsos sehr negativ über Argiriu: u.a. wegen dessen Mitarbeit an der Zeitschrift der englischen Besatzungstruppe nach 1945, auch wegen dessen Rede über "Widerstandsdichtung gegen die Junta" in Spanien, wo er zum Beispiel Ritsos’ Namen nicht genannt hatte.


18.8.1986, Karlovassi, mittags
Ritsos erzählte gestern: “Als die Zeitschrift ‘Nea Grammata’ 1936 einige Gedichte von mir veröffentlichte, wußten die Redakteure nicht, daß sie von mir sind. Da mich dieser Kreis, zu dem auch Katsimbalis, Karandonis und Seferis gehörten, ständig bekämpfte und boykottierte, wollte ich wissen, ob die Gründe hierfür mehr künstlerischer oder eher weltanschaulicher Natur waren. Ich schickte also der Zeitschrift einige Gedichte unter dem Pseudonym Kostas Eleftheriou. Die Redaktion war begeistert und druckte sofort meine Texte ab. Als bekannt wurde, daß sie von Ritsos stammen, waren sie dort außer sich.”
Gestern und heute mit Ritsos lange über Surrealismus gesprochen. Diese Richtung, sagte er, habe vielen Schriftstellern viele Türen geöffnet und besonders jenen geholfen, die sich seine Technik nutzbar machen konnten, aber dabei eins der wichtigsten Elemente des menschlichen Daseins, die Logik – entgegen dem surrealistischen Kanon – nicht ausklammerten, sondern als Denk-Möglichkeit akzeptierten. Denn die Dichtung sei eine komplexe Angelegenheit, und man könne nicht einen wichtigen Teil dieser Komplexität, nämlich die Logik, eliminieren. Zudem stelle sich das für ihn auch anders dar: Durch die strenge Ausklammerung von Logik entstünde eine noch strengere Logik, die ihrerseits jede Nichtlogik ausschließe.
Ich fragte Ritsos über seine Beziehung zu Seferis aus. „Seferis, dessen Gedichte schneller bekannt wurden als die von Kavafis, hat mit seinen Texten einen Widerstand gegen die idealische Sprechweise in der Dichtung aufgebaut. Seine Schreibtechnik war natürlich gut und sein bestes Werk ist meiner Meinung nach Mithistorima. Aber seine Dichtung begeistert mich im Großen und Ganzen nicht besonders.“
Und etwas später bemerkte er noch: "Seferis bin ich niemals begegnet und ich wollte ihm auch niemals begegnen. Er schickte mir nur einmal – und das vielleicht, weil ihm Savidis das anriet – seinen damals neuesten Gedichtband, und daraufhin schickte ich ihm einen Gedichtband von mir, der gerade erschienen war.“
Irgendwie so kamen wir auf die Neue Musik: “Experimente”, sagte Ritsos, “sind immer gut, weil sie die Technik der Kunst vorantreiben. Aber was von dieser Neuen Musik wirklich Bestand haben wird, weiß man nicht. Mir gefällt das alles nicht besonders. Natürlich, einzelne Werke liebe ich sehr, beispielsweise ein, zwei von Stockhausen ... Aber allgemein würde ich sagen, eine Musik, die gänzlich der Berechnung von Computern oder anderen Zufallsfaktoren überlassen ist, ist für mich kein künstlerischer Ausdruck, weil sie eines der wichtigsten Elemente des menschlichen Daseins, das Gefühl, ausklammert und programmatisch ausklammern will.” Bach sei für ihn der höchste Ausdruck der Ausgewogenheit. Überhaupt seien Bach, Picasso und Ritsos darum die drei größten Künstler aller Zeiten, weil sie diese Ausgewogenheit zwischen Gefühl und Denken in ihren Werken erreichten. Er lachte.
Ina fragte ihn heute, ob er jemals das Gefühl hatte, nicht mehr schreiben zu können. Seine Antwort: Nein. Niemals. Inas zweite Frage: Ob ihm schon mal vorgeworfen wurde, daß seine Gedichte zu schwierig wären und nicht verstanden werden könnten. Seine Antwort: Ja, schon oft, aber er hatte niemals Probleme damit, weil er genau wußte, daß alle seine Gedichte “verstehen” würden. Dieser Vorwurf sei vor allem von Links gekommen. Aber in letzter Instanz haben solche Leute wie er und Theodorakis die linke Kultur in Griechenland gerettet und das, “weil wir, zumindest in Kunstdingen, niemals dogmatisch waren”.
Er schwärmte von Oshimas Film “Im Reich der Sinne”. Dieser Streifen sei ein einziges Gedicht. Er habe ihn sehr beeindruckt. Ritsos erzählte ganze Szenen daraus.
Heute. Abends: Wir – Ina, Falitsa, Ritsos, Fereidun – fuhren gegen 21 Uhr zur Kirche des Heiligen Nikolaos. Bis zum Horizont das Meer, in dem sich die untergehende Sonne spiegelte. Wir zündeten Kerzen für die Seefahrer an, die der Heilige auf ihren Reisen beschützt. Ritsos zitierte mit singender Stimme aus dem “Lacrimae rerum” von Lambros Porfiras und der “Alten Violine” von Ioannis Polemis. “Im ‘Ungeheuren Meisterwerk’ spreche ich mit Ironie über die ‘Alte Violine’ von Polemis, der kein so bedeutender Dichter war, obwohl ihn damals alle bewunderten. Während das ‘Lacrimae rerum’ von Porfiras tatsächlich ein großes Gedicht ist.”

23.8.1986, Patmos
Vorgestern mit Ritsos und Fereidun die letzten beiden Stunden unseres Samos-Aufenthaltes zusammen verbracht. Ich fragte Ritsos, ob er am Anfang eines Gedichts oder Romankapitels den Schluß desselben bereits wisse. “Nein, niemals. Ich fange an und lasse mich treiben von der erschaffenden Kraft der schreibenden Feder. Ich arbeite sehr assoziativ. Meine Technik läßt sich mit der moderner Filmemacher vergleichen. Als ich vor kurzem die Schriften von Sergej Eisenstein las, beeindruckte mich, wie fortschrittlich und aktuell seine Gedanken noch immer sind.
Man kann sehr leicht viele meiner Gedichte verfilmen, sie als ein Filmszenarium ansehen. Ich habe einst auch einem Gedicht den Untertitel ‘Kleines Szenarium für einen Film’ gegeben.”
Er betonte noch einmal seine assoziative schöpferische Arbeitsweise. “Natürlich gibt es bei bestimmten Gedichten, z.B. den mytholgischen ‘Wiederholungen’, einen Unterschied, einfach weil sie einen inhaltlichen Punkt haben, auf den sie hinauslaufen und eine vorausbestimmte Handlung, auf die ich von heute aus hinlenke. Darum hat mich aber Ödipus niemals interessiert. Bei ihm ist nichts umzudeuten, alles ist von den Göttern vorausbestimmt. Ich verstehe nicht, warum er sich geblendet hat. Er konnte ja doch nichts gegen sein von anderen festgelegtes Schicksal tun. Er trug für nichts eine Verantwortung.”
Wir kamen auf Familiengeschichten zu sprechen. “Mein Onkel Nikos Ritsos, Offizier der Königlichen Marine, fiel 1912 während der Expedition zur Befreiung der Insel Chios von türkischer Okkupation. Als ich 6 oder 7 Jahre alt war fand in seiner Schule ein Programm zu Ehren meines Onkels statt, bei dem auch ich eines der zahlreichen meinem Onkel gewidmeten Gedichte zu rezitieren hatte – und das ich immer noch auswendig kann. Während der Veranstaltung saß ich neben meiner Mutter. Doch plötzlich hatte ich überhaupt keine Lust mehr, das Gedicht aufzusagen und flehte meine Mutter an, das Gedicht nicht aufsagen zu müssen. Sie flüsterte mir zu, ich solle mich zusammenreißen, ich könne sie doch jetzt nicht im Stich lassen und blamieren, er sei immerhin mein Onkel. Ich aber: ‘Nein, ich will nicht’, schon ganz weinerlich. ‘Los, steh auf jetzt’, sagte meine Mutter und zwickte mir in die Schenkel. Ich ging vor und trug schluchzend das Gedicht über den tragischen Tod meines Onkels vor. Alle waren begeistert. Sie sagten: ‘So ein kleines Kind und begreift schon das Edle der Tat seines Onkels. Und meine Mutter, mit Tränen in den Augen: ‘Erst murrst du derart herum, und dann rezitierst du so teilnahmsvoll.’ Daraufhin erwiderte ich: ‘Mutter, es war nicht wegen des Gedichts, es war, weil Sie mir so wehgetan haben’.”
Dann erzählte er, wie er in der Verbannung Ende der vierziger Jahre lernte, Kaffe zu kochen, “eine Kunst, sag ich dir!”, Knöpfe anzunähen und Tomatensalat zu machen: “Zuerst die Zwiebeln klein schneiden, diese dann in dem Saft von den geschnittenen Tomaten mit der Gabel zerdrücken, bis sie sich vollgesaugt haben. Und die Marinade mit den Tomatenstückchen vermischen, Salz und Pfeffer hinzugeben und erst am Schluß das Öl.”

17.12.1987, Berlin
Ritsos sah sich zeit seines Lebens mit den unterschiedlichsten Deformationen konfrontiert – mit gesellschaftlichen, geistigen, politischen und psychischen Miß- oder Verbildungen, mit gewissen Konstellationen, Energiezuständen und mit Bildern, die in unserem Kopf, vor unserem inneren Auge ablaufen, was philosophisch treffend mit dem "großen Unterbewußtsein" umschrieben wurde, das dafür ein Reservoir bildet. Die Unmassen an Verdrängtem, unsere heimlichen und unheimlichen Sehnsüchte, verdichtete Ritsos zu phantasmagorischen Alpträumen des Tags und der Nacht – uns durch ihre Monstrosität die Gewißheit vermittelnd, sie hätten nichts, absolut gar nichts mit uns zu tun. Andererseits läßt es sich mit ihnen plötzlich leben, durch ihre poetische Ausformulierung werden sie uns seltsam nahegebracht, verlieren ihre erschreckende Fremdheit.

5.10.1988, Berlin
Sprach mit Mikis über meine Idee, mit Ritsos und ihm ein langes – mehrtägiges – Gespräch über Ästhetik, Musik und Literatur zu führen. Ich erzählte ihm, daß Ritsos diese Idee ausgezeichnet findet und sich eine baldige Realisierung wünscht. Mikis schlug vor, daß ich mit Ritsos und seiner Frau Falitsa zu ihm nach Vrachati komme, um dort in Ruhe die Gespräche führen und aufnehmen zu können. Ich soll die Fragen vorbereiten, die Themen vorgeben und mich am Gespräch beteiligen.

27.11.1988, Eggersdorf
Ritsos schrieb 1979 die Erste erste Reihe der "Monochorde", 336 einversige Gedichte, denen 1980/81 die Zweite Reihe und 1981 die Dritte Reihe folgten. Solch eine formale Klammer, die für Ritsos etwas Neues darstellte, dabei seine Vorliebe für die Zahl 3 offenbarend, benutzte er noch einmal 1982 im Band "3 x 111 Tristichen", in dem 333 dreiversige Gedichte enthalten sind. Für die (auch moderne) neugriechische Lyrik hingegen ist der festgefügte, meist traditionelle Versbau, den Ritsos in seinen ersten Zyklen Anfang der dreißiger Jahre durchspielte, weit verbreitet. Vor allem der in einem Monochord zitierte Odysseas Elytis geht in vielen Gedichtbänden von einer bestimmten Zahlenhierarchie aus. 1977 hatte Ritsos in seiner tausendversigen poetischen Autobiographie "Das ungeheure Meisterwerk. Erinnerungen eines ruhigen Menschen, der nichts wußte" gleichsam fotografisch fragmentarisch das 20. Jahrhundert Revue passieren lassen. Wie als Pendant dazu lesen sich die oft skizzenhaften "Ein- Klänge", die wie einem poetischen Zettelkasten entnommen wirken. Nicht zufällig also, daß Ritsos, für den die "verlorenen" bzw. "nicht passenden" Schlüssel zu den wichtigsten Topoi seiner Poetik gehören, im letzten Monochord von "meine Schlüssel" spricht. Vielleicht ist der aphoristische Ton gemeint, dem man hier zum erstenmal bei ihm begegnet, oder die prägnante Reduktion auf einen Vers. Allerdings, der Prozeß der lyrischen Desillusionierung und Versachlichung begann bereits Anfang der sechziger Jahre mit dem Gedichtband "Zeugenaussagen". In einem Essay von 1962 verwies Ritsos auf die wesentliche poetische Notwendigkeit, sich kurz zu fassen: Um den flüchtenden Augenblick anhalten und dessen Beschaffenheit blitzartig erhellen zu können - ein die "Monochorde" beherrschender Gedanke. Den transparenten Hintergrund für die "Monochorde" bilden die Biographie des Dichters und die immer anwesende griechische Geschichte; schicksalhaft manchmal, manchmal vom Individuum durchschaubar: Szenen aus einer tragikomischen modernen Antike, Schwarzweiß-Aufnahmen karger Landschaften, Darstellungen deformierter Gestalten aus der linken Bewegung, der Ritsos ein Leben lang verbunden blieb, Alp- und Tagträume von einer "heilen Welt", Bilder bezaubernder menschlicher Körper, Erinnerungen an die Zeit der Diktatur.

28.11.1988, Eggersdorf
Postskriptum zu gestern: Für mich stellte die Veröffentlichung der Monochorde etwas Besonderes dar, zumal ich mit den "Monochorden" 1981 meine erste Nachdichtung versuchte, angeregt durch Paul Wiens, den damaligen Chefredakteur der Zeitschrift "Sinn und Form". Diese Arbeit brachte mich auch mit Ritsos zusammen, den ich erstmals Anfang 1982 besuchte. Die Korrektur-Fahnen jedoch konnte ich damals nicht mehr durchsehen, weil ihre Auslieferung mit der Beerdigung meines Vaters in Griechenland zusammenfiel, dem meine deutsche Übersetzung gewidmet ist. Die "Monochorde" erschienen 1982 im November/Dezember- Heft der Zeitschrift "Sinn und Form".
Lese gerade einen Text von Louis Aragon über Ritsos. Darin steht unter anderem: "Es ist so, als hätte Jannis Ritsos das Geheimnis meiner Seele gekannt, als wäre er der Einzige gewesen, ja, tatsächlich der Einzige, der mich innerlich so sehr bewegen konnte. Als ich erst einige wenige seiner Texte gelesen hatte, wußte ich noch nicht, daß er der größte unter den lebenden Dichtern dieser Epoche war, der wir angehören – ich schwöre, daß ich es nicht wußte. Ich habe es erst nach und nach erfahren, mit jedem weiteren Gedicht, fast hätte ich gesagt: mit jedem weiteren Geheimnis; denn jedes Mal war ich erschüttert wie bei einer Offenbarung, einer Apokalypse. Apokalypse eines Menschen und eines Landes - tiefe Einsicht eines Menschen und abgrundtiefes Bewusstsein, verankert in der Kultur eines Landes."

12.1.1989, Eggersdorf
Ritsos sah sich zeit seines Lebens mit den unterschiedlichsten Deformationen konfrontiert – mit gesellschaftlichen, geistigen, politischen und psychischen Miß- oder Verbildungen, mit gewissen Konstellationen, Energiezuständen und mit Bildern, die in unserem Kopf, vor unserem inneren Auge ablaufen, was philosophisch treffend mit dem "großen Unterbewußtsein" umschrieben wurde, das dafür ein Reservoir bildet. Die Unmassen an Verdrängtem, unsere heimlichen und unheimlichen Sehnsüchte, verdichtete Ritsos zu phantasmagorischen Alpträumen des Tags und der Nacht – uns durch ihre Monstrosität die Gewißheit vermittelnd, sie hätten nichts, absolut gar nichts mit uns zu tun. Andererseits läßt es sich mit ihnen plötzlich leben, durch ihre poetische Ausformulierung werden sie uns seltsam nahegebracht, verlieren ihre erschreckende Fremdheit.

26.2.1989, Eggersdorf
Jannis Ritsos schrieb 1973, im sechsten Jahr der Junta, sein szenisches Gedicht "Der Sondeur". Der vierundsechzigjährige Dichter setzte gegen die ihn umgebende, vom Irrationalismus der Obristen deformierte Wirklichkeit, in der er sich nicht frei bewegen konnte, seine phantastische, irrationale Welt der Poesie, als wollte er mit diesem Widerspruch auf die Unzulänglichkeit der rationalen Methode hinweisen, jenes Gefühl, das zwischen Verzweiflung, Resignation und Hoffnung schwingt, in Worte zu fassen. Dieses Werk, das ganz in der Tradition der europäischen Moderne steht, zu deren wichtigsten Exponenten in Griechenland Ritsos gehört, ist ein wichtiges Beispiel für den (wenn der Begriff gestattet ist) antidogmatischen Avantgardismus seines Schöpfers. Ritsos, das zeigt sich hier besonders deutlich, nimmt nicht nur Überliefertes auf, sondern schafft selbst Neues, das inzwischen die neuen Dichtergenerationen beeinflußt. Die meisten seiner über 100 Bücher, sieht man von der politischen Lyrik ab, die Ritsos selbst nicht als Dichtung akzeptiert, hat er unabhängig von Publikumserwartungen geschrieben – und darin, wie kaum ein anderer griechischer Dichter des 20. Jahrhunderts, geforscht und experimentiert. Aber die tendenziöse Vereinnahmung seines Schaffens durch die kommunistische Ästhetik einerseits und vor allem die Wirren der Nachkriegsgeschichte Griechenlands (Bürgerkrieg, ultrarechte Regierungen, Junta) mit ihren Auswirkungen auf das kulturelle und geistige Leben andererseits haben die Sicht auf den Neurer Ritsos verbaut.
Die im Sondeur verwendete irre Sprache, die sich in einem Rausch apokalyptischer Bilder eröffnet, ist Ausdruck eines für andere möglicherweise sinnlosen poetischen Widerstands gegen Totalitarismus und Unvernunft. Angst vor dem Maulkorb, vor dem endgültigen Verstummen, beherrscht die austauschbare Szenerie. Eine Angst, die sich langsam selbst entdeckt und in Worte kleidet und die alle im Gedicht Agierenden verrückt macht.
Die beklemmende Stille, die über diesem Gedicht liegt, nur von den Worten der etwa vierzig phantasmagorischen Gestalten unterbrochen, die plötzlich, von Scheinwerferlicht erhellt, aus ihrer Lethargie erwachen, ihren Text aufsagen und wieder im Dunkel verschwinden, diese „Stille“ ist eine wichtige sprachliche Errungenschaft dieses szenischen Gedichts. Der Einsame, die drei Verrückten, der Hinkende, das Menschlein und alle anderen Frustrierten, Schwachen und Starken, die vor dem Hintergrund des modernen Griechenland auftauchen, sie sprechen und bewegen sich, bewegen sich, indem sie sprechen – desillusioniert, monologisierend, fast antikisch. Alle Stimmen münden in eine einzige, die beinah verstummt. Die Sprache dieser seltsamen, monströs gewöhnlichen Personen ähnelt sich (ist die gleiche), nur die Haltung/die Maske ändert sich (bleibt die gleiche): Der Dichter schlüpft nacheinander in die selbsterdachten Rollen, entblößt sich – indem er sich verkleidet – vor den Augen aller, probiert sich aus in der verkehrtesten aller nur möglichen Welten; hier wartet Godot auf uns, da pinkelt der andalusische Hund unter einem Mond von de Chirico. Aber der Sensualist Ritsos spricht nur über sich, über sein Leben und seine Träume, über Erfahrenes und Erlebtes, über die Koraka-Straße in Athen und die Kleinstadt Karlowassi auf Samos – nichts ist konstruiert; das Gedicht gleicht einem revueartigen Panoptikum: Die Szenerie einer Straße wird betrachtet und wie hin und her wechselnd zwischen Tele- und Weitwinkelobjektiv abgefilmt, der Sondeur – eigenwilliger Chronist, der an Konstantinos Kavafis, den Begründer der griechischen Moderne erinnert, der nichts mehr auszuloten vermag, ja nichts mehr ausloten will, lauscht dem Treiben und den Worten der Anwohner, nimmt Anteil an ihren Sorgen und Freuden. Ritsos beobachtet sehr genau.
Die meisten "Wortmeldungen" haben den Charakter eigenständiger Gedichte – hier wendet Ritsos eine Technik an, die sich in den langen Monologgedichten der Vierten Dimension (Agamemnon, Die Rückkehr der Iphigenie etc.) und vor allem in der Gedichtkomposition Graganda (1972) angekündigt hatte, was für die Arbeit an unserer eigenen Nachdichtung von ausschlaggebender Bedeutung war. Galt es doch, der Autonomie der einzelnen Gedichte wie dem einheitlichen Sprachgestus der poetischen Großform des Textes gerecht zu werden. Ritsos' Knappheit ist nur schwer ins Deutsche übertragbar, weil seine demokratische Verwendung von Umgangssprache in der deutschen Dichtung undenkbar ist.

9.11.1989, Athen
Ritsos sah sich zeit seines Lebens mit den unterschiedlichsten Deformationen konfrontiert – mit gesellschaftlichen, geistigen, politischen und psychischen Miß- oder Verbildungen, mit gewissen Konstellationen, Energiezuständen und mit Bildern, die in unserem Kopf, vor unserem inneren Auge ablaufen, was philosophisch treffend mit dem "großen Unterbewußtsein" umschrieben wurde, das dafür ein Reservoir bildet. Die Unmassen an Verdrängtem, unsere heimlichen und unheimlichen Sehnsüchte, verdichtete Ritsos zu phantasmagorischen Alpträumen des Tags und der Nacht – uns durch ihre Monstrosität die Gewißheit vermittelnd, sie hätten nichts, absolut gar nichts mit uns zu tun. Andererseits läßt es sich mit ihnen plötzlich leben, durch ihre poetische Ausformulierung werden sie uns seltsam nahegebracht, verlieren ihre erschreckende Fremdheit. Das Konzept einer strapaziösen, schmerzlichen und zum Teil befreienden Poetik.

10.11.1989, Athen
Gestern bei Ritsos gewesen. Er war sehr niedergeschlagen wegen der allgemeinen politischen Situation. “Was habe ich mit all dem zu tun? Welche Beziehung habe ich zu einem Ceausescu, zu einem Breshnew, zu dem greisen Honecker, zu all diesen anderen Leuten und ihren Handlungen?”, fragte er mich. “Weißt Du, was die Sowjetunion für mich war? Als ich 1956 Moskau besuchte, ging ich ins GUM-Kaufhaus und wollte eine Tschaikowski-Schallplatte kaufen. Ich glaube, die 2.Sinfonie. Die Verkäuferin holte aus dem Regal ein Platte , die keine Hülle hatte, denn es gab damals noch keine Schallplattenhüllen in der Sowjetunion. Sie wickelte mir die Schallplatte in Packpapier ein, das man genauso für Fische oder Kleidung benutzte und band eine Schnur drumherum. Das war für mich kolossal: Die Kunst in den Alltagsgebrauch überführt, ohne weiteren Schnickschnack. Das war es. Der innere unentfremdete Wert.”
“Weißt du, was ich noch entdeckt habe? Sogar die Statuen und selbst die Gedichte werden älter.”
Gerade höre ich im griechischen Fernsehen, daß gestern die Berliner Mauer gefallen ist.

20.1.1990
Ritsos hat stets die „Dichtung“ nach zwei Seiten hin verteidigt – zwei Seiten derselben Medaille. Er war der Meinung, dass weder ein Überhandnehmen der Emotionalität, noch eine wie immer geartete politische Aussage in der Dichtung Platz haben. Er selbst hat sich beides in einigen wenigen Texten gestattet, sich aber auch „poetologisch“ klar von beidem distanziert, und zwar in programmatischer Form. Hier seine deutliche Abgrenzung – in Kavafischer Manier – von einem emotional geprägten Schreiben: „Wir wissen sehr gut, daß von dem Augenblick an, da ein Ereignis stattfindet, bis zu dem Augenblick, da wir es in Worte fassen können, viel Zeit verstreichen muß, um es elementar ausdrücken zu können und es von emotionaler Übertreibung zu befreien. Aber es gibt einige wenige Augenblicke, da ich auch die Übertreibung des Emotionalen akzeptiere, unabhängig vom ästhetischen Resultat. Aber es muß uns klar sein, dass wir in solchen Augenblicken kein Gedicht schreiben, sondern eine „Unterhaltung“ führen, von Mensch zu Mensch, von Freund zu Freund ... Die Dichter sind nun mal als Architekten der menschlichen Seele bezeichnet worden, als Organisatoren der gesellschaftlichen Empfindung.“
Und im Vorwort seiner „Kameradschaftlichen Lieder“ macht Ritsos auf die signifikante Unterscheidung zwischen Dichtung und „Gelegenheitsgedicht“, zwischen Dichtung und „Kampf um das klassenlose Blau“, zwischen „Gedichte“ und „Lieder“ in seiner Poesie aufmerksam: „Der Kampf gegen diese Gestalt des Todes (soziale Unterdrückung, Leid, unerfüllte Wünsche; A.K.) ist die politische Dichtung – oder zumindest meine eigene politische Dichtung –, ein Kampf um ‚das klassenlose Blau’, wie ich in einem Gedicht für Neruda schrieb. In mein Buch ‚Kameradschaftliche Lieder’ habe ich Gelegenheitsgedichte aufgenommen, die sich mehr zum Vortragen als zum stillen Lesen eignen. Trotzdem verwerfe ich sie nicht, weil ich denke, daß sie einiges an Inspiration, Empfindung, Schlüsselworten, alltäglichen Gesten, Szenen aus diesem Kampf mit dem Tod beinhalten.“ (1981)

Mai 1990, Berlin
Ueberarbeiten mit Steffen Mensching die Mondscheinsonate von Ritsos für eine Hörspielfassung. Was für ein Text: Die Frau in Ritsos` Monologgedicht „Mondscheinsonate“ ist das in zweifacher Hinsicht gefangene Tier, nein, nein, in dreifacher. Den jungen Mann hatte ich vergessen. Ansonsten ist sie Gefangene des Mondes und ihres Hauses, darin gleicht sie ihrer antiken Schwester: Wie bei Sappho löst auch bei ihr der Mond (für Sappho: Selene) ein Nach-Denken aus. Sie beginnt als alte Frau, als ein Mensch, der am Ende ist, fertig mit der Welt. Die einzige Orientierung, mehr ein ahnungsvolles Bitten, dieser Satz: „Laß mich mit dir gehen“. Daß sie sich von ihm lösen kann und davon, was er ihr bedeutet, ist erstaunlich. Sie kann wieder sehen, weil sie blind geworden war. Der Mond scheint hoch über der Stadt, der lebendigen – seltsame Antinomie. Immerhin, vielleicht eine Stadt, in der zwei Monate vor Niederschrift dieses Gedichts der 20. Parteitag der KPdSU tagte. Wir schreiben das Jahr 1956 nach Christus. „Da haben Menschen gesessen, die Großes träumten, so wie und so wie du, übrigens.“ Sie tastet sich an sich heran. Am Schluß ihres Monologs, dieser psychoanalytischen Verständigung zwischen Ich und Es, ist sie jung geworden, das heißt: Sie hat sich möglicherweise erkannt. Ob sie ihr Haus verlassen wird, es verlassen kann, wissen wir nicht, in ihm jedenfalls sind Träume nicht mehr möglich, ein Ort ohne Utopie.

November 1990, Eggersdorf
Vor Tagen die Nachricht. Ritsos ist “erloschen”. Er hatte wochenlang das Essen verweigert. Als ich das Telegramm in den Händen hielt, erinnerte ich mich plötzlich an eine Geschichte, die er mir vor Jahren erzählt und die ich vergessen hatte: “Alle meine Gäste, nicht nur Freunde und Verwandte, sondern auch Leute, die mich zum ersten Mal besuchen, erzählen mir ihre Sorgen und Probleme mit Beruf, Familie, Politik. Es gab nur eine Ausnahme. Vor einigen Wochen bekam ich regelmäßig Anrufe, bei denen sich aber keiner meldete, wenn ich abhob. Eines Tages klingelte es an meiner Tür. Als ich aufmachte, stand ein junges langhaariges Mädchen davor. Ich hatte kaum geöffnet, da drehte es sich um und rannte die Treppen hinunter. Es nahm nichtmal den Fahrstuhl, obwohl ich im vierten Stock wohne. Einige Tage später stand es wieder vor der Tür, mit einer Umhängetasche über der Schulter. Diesmal ging das Mädchen, ohne eine Wort zu sagen, an mir vorbei ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm, und als ich mich auf das Sofa hinsetzte, legte es sich auf den Fußboden hin und schloß die Augen, seine Umhängetasche mit verkrampften Händen festhaltend. Beim Hinlegen waren ihm Haarsträhnen ins Gesicht gefallen, die ich wegstreichen wollte. Bei dieser fast unmerklichen Berührung sprang das Mädchen auf und rannte aus der Wohnung. Seitdem hab ich nichts mehr von ihm gehört. Es rief mich nur einmal an und sagte: ‘Ich bin das Mädchen, das Sie besucht hat. Es ist gut, daß es Sie gibt.’ Sie war also der einzige Mensch, der mich je besucht hat, von dem ich nichts weiß. Vielleicht aber weiß ich darum alles über sie. Vielleicht ist das der Punkt, in dem wir uns gleichen, der uns eint in dieser Welt.”

© Asteris Kutulas

 

Jannis Ritsos,
geb. am 1.Mai 1909 auf der Insel Monemvasia. Sohn eines später verarmten Gutsbesitzers und einer musischen, sehr gebildeten Mutter. 1921 Tod des Bruders und der Mutter. Von 1921 bis 1925 Gymnasiumsbesuch in Gythion; Übersiedlung nach Athen; Sekretär in einem Anwaltsbüro; 1927 erste Veröffentlichungen; Erkrankung an Tuberkulose und wiederholt Sanatoriumsaufenthalte bis 1939; als Lektor im Govostis-Verlag sowie als Schauspieler, Rezitator und Regisseur beim Athener Arbeiterverein tätig; Teilnahme am antifaschistischen Befreiungskampf bis 1945, ab 1946 am Bürgerkrieg; 1948 bis 1952 Deportation auf die Verbannungsinseln Limnos, Makronisos, Agios Efstratios; 1964 Kandidatur für die linke Einheitsfrontbewegung (EDA); nach dem Militärputsch 1967 erneute Verbannung; bis 1970 auf Samos unter Hausarrest gestellt. Seit 1974 lebt Ritsos in Athen und auf Samos. Ritsos' Gedichte sind in über vierzig Sprachen übersetzt.



WERKVERZEICHNIS bis 2000

Es sind nur die griechischen Erstausgaben (deren Titel hier ins Deutsche übersetzt wurden), die in Buchform erschienen sind, berücksichtigt. Wenn nicht anders (in eckigen Klammern oder im Untertitel) vermerkt, sind die Bücher in Athen herausgekommen und umfassen ausschließlich Gedichte. Die Reihenfolge folgt der Chronologie der Veröffentlichungen. In runden Klammern nach dem Titel steht die Entstehungszeit des jeweiligen Werkes.

1934 Traktor. Gedichte 1930-1934
1935 Pyramiden. Gedichte 1930-1935
1936 Epitaph (1936)
1937 Das Lied meiner Schwester (1936-37)
1938 Frühlingssinfonie (1937-38)
1940 Marsch des Ozeans (1939-40)
1943 Prüfung. Gedichte 1935-1942
1943 Alte Mazurka im Rhythmus des Regens (1942)
1945 Unser Genosse. Nikos Zachariadis (1945)
1952 Der Mann mit der Nelke (1952) [Bukarest]
1954 Schlaflosigkeit. Gedichte 1941-1953
1955 Morgenstern (1955)
1956 Die Mondscheinsonate (1956)
1957 Chronik (1957)
1957 Abschied (1957)
1957 Steinerne Zeit (1949) [Bukarest]
1957 Die Nachbarschaften der Welt (1949-51) [Bukarest]
1957 Wasserkrug. Elegie über einen kurzen Frühling (1957)
1957 Winterliche Transparenz (1957)
1958 Wenn der Fremde kommt (1958)
1958 Unbezwingbare Stadt (1952-53) [Bukarest]
1958 Die Architektur der Bäume (1958) [Bukarest]
1958 Jenseits des Schattes der Zypressen. Episches Drama in drei Akten und 27 Bildern (1944-47) [Bukarest]
1959 Die Greisinnen und das Meer. Chorgesang (1958)
1959 Eine Frau neben dem Meer. Drama (1942-43) [Bukarest]
1960 Die Brücke (1959)
1960 Das Fenster (1959)
1961 Der Schwarze Heilige (1961)
1961 Die Gedichte. Band 1: 1930-1942
1961 Die Gedichte. Band 2: 1941-1958
1962 Unter dem Schatten des Berges (1960)
1962 Das tote Haus (1959)
1963 Der Baum des Gefängnisses und die Frauen (1962)
1963 12 Gedichte für Kavafis (1963)
1963 Zeugenaussagen. Erste Reihe (1957-63)
1964 Die Gedichte. Band 3: 1939-1960
1964 Spiele des Himmels und des Wassers (1960)
1965 Philoktet (1963-65)
1966 Romiossini (1945-47)
1966 Zeugenaussagen. Zweite Reihe (1964-65)
1966 Orest (1962-66)
1967 Ostrava (1962)
1972 Steine Wiederholungen Gitter (1968-69)
1972 Helena (1970)
1972 Gesten (1969-70)
1972 Vierte Dimension. Die Gedichte. Band 6: 1956-1972
1972 Die Rückkehr der Iphigenie (1971-72)
1972 Chrysothemis (1967-70)
1972 Ismene (1966-71)
1973 Achtzehn kleine Lieder der bitteren Heimat (1968-70)
1973 Korridor und Treppe (1970)
1973 Graganda (1972)
1974 Milos geschleift (1969)
1974 Der russgeschwärzte Topf (1949)
1974 Hymne und Klage für Zypern (1974)
1974 Glockenturm (1972)
1974 Betrachtungen (Essays, 1955-1971)
1974 Die Wand im Spiegel (1967-71)
1974 Papiernes (1970-74)
1975 Die Herrin der Weinberge (1945-47)
1975 Das letzte Jahrhundert vor dem Menschen (1942)
1975 Die aktuellen Gedichte. Die Gedichte. Band 5: 1945-1969
1975 Postskriptum des des Ruhms. Aris Veluchiotis (1945)
1975 Tagebücher der Verbannung (1948-50)
1975 Abgesandte (1967-69)
1975 Gedichte. Band 4 (1938-1971)
1976 Pförtnerloge (1971)
1977 Das Entfernte (1975)
1977 Das Werden. Die Gedichte. Band 7: 1970-1977
1978 Türklopfer (1976)
1978 Also? (1976)
1978 Der Sondeur (1973)
1978 Das Tor (1973-74)
1978 Verkehrspolizist (1974-75)
1978 Plakatankleber (1974-75)
1978 Frauen aus Monemvassia (1975)
1978 Der Körper und das Blut (1976)
1978 Das ungeheure Meisterwerk (1977)
1978 Phädra (1974-75)
1978 Eine Leuchtkugel erhellt die Nacht (1937)
1979 Blindenschrift (1972-73)
1980 Durchsichtigkeit (1977-78)
1980 Nebenstraße (1971-72)
1980 Monochorde (1979)
1981 Traum eines sommerlichen Mittags (1938)
1981 Erotika (1980-81)
1981 Kameradschaftliche Lieder. Gedichte 1931-1981
1982 Ariostos der Vorsichtige erzählt Augenblicke seines Lebens und seines Schlafes. Prosa (1942/1971)
1982 Hohlräume (1972)
1982 Italienisches Triptychon (1976-80)
1982 Monovassia (1974-77)
1983 Das Chorlied der Schwammfischer (1960)
1983 Teiresias (1964-71)
1983 Was für seltsame Dinge. Roman(?) (1983)
1984 Mit einem Stoß des Ellenbogens. Prosa (1983)
1984 Tanagra-Figuren (1967)
1984 Siegeslieder. Gedichte 1977-1983
1985 Vielleicht ist es auch so. Roman (1984)
1985 Der alte Mann mit dem Drachen. Roman (1984)
1985 Nicht nur für dich. Roman (1984)
1986 Abgeschlossen mit einem Lächeln. Roman (1984)
1986 Die Fragen nehmen ab. Roman (1984)
1986 Ariostos lehnt es ab, heilig zu werden. Prosa (1985)
1987 Korrespondenz (1985)
1987 3 x 111 Tristichen (1982)
1989 Die Gedichte. Band 9: 1958-1967
1989 Die Gedichte. Band 10: 1963-1972
1989 Halbkreis. Erotica (1981-82) [Tübingen]
1990 Eine Frau neben dem Meer. Theaterstück in drei Aufzügen (1942)
1990 Jenseits des Schattens der Zypressen. Theaterstück in drei Aufzügen (1944-47)
1990 Die Stöcke der Blinden. Theaterstück in drei Akten (1959)
1990 Der Hügel mit dem Springbrunnen. Theaterstück in drei Akten (1959)
1991 Spät, sehr spät in der Nacht. Gedichte 1987-1989
1993 Die Gedichte. Band 11: 1972-1974
1997 Die Gedichte. Band 12: 1975-1976
1999 Die Gedichte. Band 13: 1976-1977
2000 Anthologie Jannis Ritsos, Herausgegeben von Chrissa Prokopaki


Nachdichtungen

1957 Alexander Blok: Die Zwölf
1961 Athologie Rumänischer Dichtung
1963 Attila J?zsef: Gedichte
1964 Wladimir Majakowski: Gedichte
1965 Dora Gabé: Ich, meine Mutter und die Welt (Kinderbuch)
1966 Nazim Hikmet: Gedichte
1966 Ilja Ehrenburg: Der Baum. Gedichte
1966 Nicolàs Guillén: Der große zoologische Garten
1966 Anthologie Tschechischer und Slowakischer Dichter
1976 Alexej Tolstoi: Die störrische Ziege (Kinderbuch)
1981 Sergej Jessenin: Gedichte
1988 Feiredun Fariad: Träume mit Papierdrachen und Tauben


Deutschsprachige Erstausgaben bis 2001

- Gedichte, Aus dem Neugriechischen von Vagelis Tsakiridis, Berlin (West) 1968
- Zeugenaussagen, Mit einer Vorbemerkung von Eleni N. Kazantzaki und einer Einleitung von Max Frisch, Auswahl und Übersetzung von A.N. Sfontouris, Zürich 1968
- Zeugenaussagen, Übersetzung und Nachwort von Günter Dietz, Frankfurt/M. 1968
Die Wurzeln der Welt, Nachgedichtet von Bernd Jentzsch und Klaus-Dieter Sommer, Berlin 1970
- Mit dem Maßstab der Freiheit ..., Ausgewählt und aus dem Neugriechischen übertragen von Isidora Rosenthal-Kamarinea, Ahrensburg-Paris 1971
- Der Baum des Gefängnisses und die Frauen. Die Greisinnen und das Meer. Zwei Chorlieder, Aus dem Griechischen übersetzt von Argyris Sfountouris, Zürich 1972
- Epitaphios. Eine von Mikis Theodorakis vertonte Auswahl, Aus dem Griechischen übertragen von Isidora Rosenthal-Kamarinea, Illustrationen von Christine Lichthardt, [BRD, 1973] Romiosyni. Das Griechentum, Übersetzung aus dem Neugriechischen: Gerhard Rebhan, Würzburg 1974
- Pförtnerloge. 99 Gedichte, Deutsche Übersetzung von Argyris Sfountouris, Zürich 1976 Tagebuch des Exils. Griechisch-deutsch, Übersetzt von Niki Eideneier u.a., Schwiftingen 1979
- Milos geschleift. Poeme und Gedichte, Mit elf Federzeichnungen und einer Radierung von Giacomo Manzu, Hrsg. von Thomas Nicolaou, Vorwort von Louis Aragon, Nachworte von - Günter Kunert und Fritz Cremer, Nachdichter: Heinz Czechowski, Margarete Hannsmann, Thomas Nicolaou und Hubert Witt, Leipzig 1979
- Gedichte. Griechisch-deutsch, Übertragen von Niki und Hans Eideneier unter Mitarbeit von Irmgard Baun u.a., Basel/Frankfurt am Main 1980
- Steine, Wiederholungen, Gitter, Aus dem Griechischen, mit Anmerkungen und einem Nachwort von Armin Kerker, Berlin (West) 1980
- Kleine Suite in rotem Dur. Liebesgedichte, Aus dem Neugriechischen übertragen von Thomas Nicolaou, Zweisprachige Ausgabe mit den Originalhandschriften der Gedichte und 24 Zeichnungen auf Steinen von Jannis Ritsos, Farbig fotografiert von Manfred Küchler, Berlin 1982
- Zeugenaussagen. Griechisch-deutsch, Übertragen von Günter Dietz, Waldbrunn 1982 (Neuausgabe des Buches von 1968 mit zusätzlichen Gedichten; A.K.)
- Erotika, Aus dem Neugriechischen von Thomas Nicolaou, Berlin 1983
- Poesiealbum, Auswahl von Asteris Kutulas, Übertragen von Hans Brinkmann, Asteris Kutulas, Dirk Mandel, Steffen Mensching, Thomas Nicolaou, Klaus-Peter Schwarz und Klaus-Dieter Sommer, Berlin 1983
- Die Nachbarschaften der Welt, Übertragen von Erasmus Schöfer, Köln 1984
- Was für seltsame Dinge. Roman (?), Aus dem Neugriechischen von T.Nicolaou, Berlin 1985
- Die Rückkehr der Iphigenie, Übertragen von Asteris Kutulas, Köln 1986
- Ikonenwand anonymer Heiliger I, Aus dem Neugriechischen von T.Nicolaou, Berlin 1986
- Ikonenwand anonymer Heiliger II, Aus dem Neugriechischen von T.Nicolaou, Berlin 1987
- Delfi, Mit Original-Illustrationen von Jannis Ritsos, Übertragen von A.Kutulas, Kollektion 26x35, Echternach 1987
- Chrysothemis, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas, Köln 1988
- Das ungeheure Meisterwerk. Erinnerungen eines ruhigen Menschen der nichts wußte, Mit einer Radierung und sieben Reproduktionen von Zeichnungen des Dichters, Hrsg. von Hans Marquardt mit Marginalien zum siebenten Druck der Dürer-Presse, Aus dem Griechischen übertragen und mit Anmerkungen und Annotationen von A.Kutulas, Leipzig 1988
- Die Mondscheinsonate, Mit Original-Illustrationen von Jannis Ritsos, Hrsg. von Udo Tietz und A.Kutulas, Übertragen von A.Kutulas und Steffen Mensching, Kollektion 26x35, Echternach 1988
- Monochorde, Übertragen und mit einem Nachwort von A.Kutulas, Mit Illustrationen von Gottfried Bräunling, Köln 1989
- Unter den Augen der Wächter, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Armin Kerker, München 1989
- Der Sondeur, Übertragen von Ina und Asteris Kutulas, Mit Zeichnungen von Trak Wendisch, Tübingen 1989
- Ikonenwand anonymer Heiliger III. Aus dem Neugriechischen von T.Nicolaou, Berlin 1989
- Halbkreis Erotika. Griechisch-deutsch, Herausgegeben und übertragen von A.Kutulas, Mit Illustrationen von G.Bräunling, Tübingen 1989
- Steine Knochen Wurzeln. Essays und Interviews, Herausgegeben und übersetzt von A.Kutulas, Leipzig und Weimar 1989
- Gedichte. Ausgewählt, aus dem Griechischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Klaus-Peter Wedekind, Frankfurt/M. 1991
- Agamemnon, Mit Original-Illustrationen von Jannis Ritsos, Hrsg. übersetzt und mit einem Nachwort von A.Kutulas, Kollektion 26x35, Echternach 1993
- Jannis Ritsos, Deformationen. Gedichte, Texte, Interviews & Begegnungen 1930-1990, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Essay von Asteris Kutulas, übertragen von Asteris und Ina Kutulas, Romiossini Verlag, Köln 1996
- Jannis Ritsos. Die Mondscheinsonate. Übertragen von Asteris Kutulas und Steffen Mensching, Dielmann Verlag, Frankfurt am Main 2001
- Jannis Ritsos, Die Rückkehr der Iphigenie. Monologe, Mit Fotos von Steinzeichnungen des Dichters, übertragen und mit einem Nachwort von Asteris und Ina Kutulas, Inselbücherei, Insel Verlag, Leipzig 2001


Auf Deutsch als HÖRSPIEL: “Milos geschleift” (1984), “Die Mondscheinsonate” (1990) Auf deutschen Bühnen: “Chrysothemis” im Burgtheater Wien (1982), “Der Sondeur” im Theater 89 Berlin (1992)



DISKOGRAPHIE
(Auswahl aus der Ritsos-Bibliographie von Ninetta Makrinikola)

Den alphabetisch aufgeführten Komponisten folgen die Titel der vertonten Werke in deutscher Übersetzung, wobei in einigen Fällen der Schallplattentitel nicht mit der jeweiligen Werküberschrift von Ritsos übereinstimmt. In Klammern das Jahr der Erstveröffentlichung als Platte bzw. CD.

- Giorgos Kotsonis: Herrin der Weinberge (1975), Hymne und Klage für Zypern (1976)
- Christos Leondis: Der Verrußte Kochtopf (1975)
- Nikos Mamangakis: 11 Volkslieder von Jannis Ritsos (1972)
- Solon Michailidis: Hymne und Klage für Zypern (1975)
- Jannis Markopoulos: Frühlingssinfonie (1987)
- Thanos Mikroutsikos: Kantate auf Makronissos (1976), Mondscheinsonate (Theatermusik, 1985)
- Terpsichori Papastefanou: Krieg und Frieden (1979)
- Mikis Theodorakis: Epitaph (Liedzyklus, 1960), Romiossini (Liedzyklus, 1966), Achtzehn kleine Lieder der bitteren Heimat (Liedzyklus, 1973), Die Nachbarschaften der Welt (Kantate, 1978), Frühlingssinfonie nach Texten von Jannis Ritsos und Giorgos Kulukis (1987)
- Dimos Mutsis: Tetralogie (1974)
- Marios Tokas: Meine verbitterte Gebneration (Liederzyklus, 1981)



THEATER-AUFFÜHRUNGEN bis 1989
(Soweit von Ninetta Makrinikola in ihrer Ritsos-Bibliographie zusammengetragen und ohne Berücksichtigung von Aufführungen nicht-dramatischer Texte. In Klammern nach dem Titel das Entstehungsdatum, wobei viele Werke zum Teil viel später erstveröffentlicht wurden.)

Epitaph (1936)
1968 Sassex, Rotterdam, London, Rom, Neapel
1970 Fermo, Florenz, Dublin
1971 Moskau, Kiew, Leningrad
1973 Minnesota, Stockholm
1974 Moskau, Leningrad, Kiew, Tyflis, Taschkent
1975 Stockholm

Jenseits des Schattens der Zypressen (1944-47)
1958 Bukarest
1985 versch. griechische Städte
1986 Athen
1987 Athen

Die Mondscheinsonate (1956)
1962 Bukarest
1967 Warschau
1968 Bukarest
1972 Amsterdam, Rotterdam
1975 Athen
1979 Paris, Humboldt State University California
1980 Lyon, Thessaloniki & Mitylene
1983 Monpellier, Avignon
1984 Athen
1985 Paris, Brüssel, Lausanne, Ile de France, Thessaloniki (2 Produktionen)
1986 Paris
1989 Athen

Abschied (1957)
1968 Lyon

Die Greisinnen und das Meer (1958)
1967 Bukarest
1977 versch. Städte Frankreichs und Belgiens
1979 versch. Städte Frankreichs

Die Stöcke der Blinden (1959)
1963 Braila & Bukarest

Der Hügel mit dem Springbrunnen (1959)
1977 Sibiu & Bukarest
1988 Thessaloniki
Das tote Haus (1959)
1966 & 1968 Hörspiel in France-Culture
1985 Thessaloniki

Die Brücke (1959)
1978-79 versch. Städte Frankreichs

Unter dem Schatten des Berges (1960)
1980 Thessaloniki & Mitylene

Das Chorlied der Schwammfischer (1960)
1982 Lyon
1983 versch. Städte Frankreichs

Der Baum des Gefängnisses und die Frauen (1962)
1969 Montreuil
1980 Thessaloniki & Mitylene
1985 Thessaloniki

Orest (1962-66)
1981-83 Moskau, Kiew, Leningrad
1982 Rom
1984 Paris
1987 Athen
1988 Rom, Thessaloniki
1989 Athen (2 Produktionen)

Persephone (1965-70)
1986 Paris & Athen
1988 Chios & Athen

Agamemnon (1966-70)
1982 Brüssel

Ismene (1966-71)
1977 Paris, Moskau, Leningrad
1978 Paris
1979 Athen, Brüssel
1980 Athen, Thessaloniki, Brüssel
1984 Paris, versch. griechische Städte
1985 versch. griechische Städte

Milos geschleift (1969)
1974 Brüssel
1976 Budapest

Abgesandte [Mantatophoren] (1967-69)
1983 versch. griechische Städte

Aiax (1967-69)
1987 Genua
1988 Syrakus
1989 Genua, versch. Städte Portugals

Chrysothemis (1967-70)
1975 Hörspiel in France-Culture
1979-81 versch. griechische Städte
1982 Wien
1983 Lissabon
1987 Malta
1988 Rom

Helena (1970)
1975 Athen
1979 Brüssel
1980 Athen, Thessaloniki, Brüssel
1982 Brüssel
1986 Rom
1988 Rom
1989-90 Athen (2 Produktionen)

Die Rückkehr der Iphigenie (1971-72)
1984 Paris
1987 Athen
1988 Thessaloniki
1989-90 Athen

Phädra (1974-75)
1980 Brüssel
1983 Bari & Rom
1985 Paris & versch. Städte Frankreichs
1987 Paris, Athen
1988 Rom


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Mit Jannis Ritsos verband mich ein „ganzes Leben“, eine „ganze Welt“. Das sind die Ritsos-Bücher, die ich zwischen 1983 und 2001 in Deutschland übersetzte und publizierte:

Jannis Ritsos. Poesiealbum, Auswahl von Asteris Kutulas, Übertragen von Hans Brinkmann, Asteris Kutulas, Dirk Mandel, Steffen Mensching, Thomas Nicolaou, Klaus-Peter Schwarz und Klaus-Dieter Sommer; Verlag Neues Leben, Berlin 1983

Jannis Ritsos. Die Rückkehr der Iphigenie, Übertragen von Asteris Kutulas; Romiosini Verlag, Köln 1986

Jannis Ritsos. Delfi. Mit Originalillustrationen des Autors, Übertragen und mit Anmerkungen von Asteris Kutulas; editions phi, Echternach 1987

Jannis Ritsos. Chrysothemis, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas; Romiosini Verlag, Köln 1988

Jannis Ritsos. Das ungeheure Meisterwerk, Übertragen, mit Nachwort, Anmerkungen und einem Interview von Asteris Kutulas; Reclam-Verlag, Leipzig 1988 und Büchergilde Gutenberg, Frankf./M. 1988

Jannis Ritsos. Die Mondscheinsonate. Mit Original-Illustrationen des Autors, Herausgegeben von Udo Tietz und Asteris Kutulas, Übertragen von Asteris Kutulas und Steffen Mensching; editions phi, Echternach 1988

Jannis Ritsos. Monochorde. Mit Illustrationen von Gottfried Bräunling, Übertragen und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas; Romiosini-Verlag, Köln 1989

Jannis Ritsos. Der Sondeur. Mit Zeichnungen von Trak Wendisch, Übertragen von Ina und Asteris Kutulas, Mit einem Nachwort von Asteris Kutulas; konkursbuch Verlag, Tübingen 1989

Jannis Ritsos. Halbkreis. Erotica-Gedichte. Mit Illustrationen von Gottfried Bräunling, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas; konkursbuch Verlag, Tübingen 1989

Jannis Ritsos. Steine Knochen Wurzeln. Essays und Interviews, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort und und Werkregister von Asteris Kutulas; Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar 1989

Jannis Ritsos. Agamemnon. Mit Original-Illustrationen des Autors, Herausgegeben und übertragen von Asteris Kutulas; editions phi, Echternach 1990 (1993)

Jannis Ritsos, Deformationen. Gedichte, Texte, Interviews & Begegnungen 1930-1990, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Essay von Asteris Kutulas, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas, Romiossini Verlag, Köln 1996

Jannis Ritsos. Die Mondscheinsonate. Übertragen von Asteris Kutulas und Steffen Mensching; Dielmann Verlag, Frankfurt am Main 2001

Jannis Ritsos, Die Rückkehr der Iphigenie. Monologe, Mit Fotos von Steinzeichnungen des Dichters, Übertragen und mit einem Nachwort von Asteris und Ina Kutulas, Inselbücherei, Insel Verlag, Leipzig 2001



Mein wichtigstes Ritsos-Buch ist die Anthologie „Deformationen“, die versucht, die innere Zwiesprache, die Jannis Ritsos über sechzig Jahre mittels seiner Dichtung geführt hat, nachzuvollziehen. Diese Rekonstruktion offenbart, ich würde sagen zwangsläufig, die unsichtbare Biografie des Dichters: die sehnsuchtsvolle Melancholie der dreißiger Jahre; die ironisch-verzweifelte Sicht auf Krieg und Bürgerkrieg, die “Reinheit” als Überlebensstrategie in den Vierzigern; die existenzialistische Nachdenklichkeit der fünfziger Jahre; die Flucht in den Mythos, in die als notwendig empfundene Maskierung der sechziger Jahre; Fragmentarismus, Desillusionierung und die Auseinandersetzung mit dem Tod als soziales Phänomen Anfang der siebziger Jahre; die Entdeckung der neuen Einfachheit und der Dialog mit dem Tod als individuelles Phänomen in den Achtzigern. Diese – hier grob und schematisch skizzierte – innere Zerrissenheit und außerordentliche geistige Flexibilität blieben bei Ritsos zeitlebens hinter einem in der Öffentlichkeit konsequent vertretenen marxistischen Standpunkt verborgen. Für den Dichter keineswegs ein Widerspruch.
Ritsos, der seit 1931 Mitglied der kommunistischen Bewegung Griechenlands und eines ihrer Aushängeschilder war, zeichnete sich durch die Orthodoxie – im wahrsten griechischen Sinne des Wortes – seiner weltanschaulichen Haltung aus, mit allen Konsequenzen für sein Leben: Verbot seines Buches “Epitaph” durch die Metaxas-Diktatur 1936, Engagement im antifaschistischen Widerstand (1940-44) und im Bürgerkrieg (1945-48), Verbannung (1948-52), Publikationsverbot zwischen 1945 und 1952, Kandidatur für die linke EDA bei den Wahlen von 1964, Inhaftierung und Verbannung durch die Junta (1967-69) und Hausarrest (1969-71). Möglicherweise war diese Fixierung, “ein Dichter des Volkes” zu sein, wie er populistisch (aber auch voller Sympathie) genannt wurde, für Ritsos die Voraussetzung, seine geistigen Experimente und poetischen Phantasien – gleichsam vor aller Augen im Verborgenen – auszuleben. So folgte ich seinem oft vorgebrachten Hinweis, seine eigentliche Biografie finde sich in seinen Gedichten, die allerdings in ihrer Mehrzahl eine andere Sprache sprechen, skeptizistisch, abgründig, zerrissen, unentschieden, dem Tod nahe und von ihm abgewandt zugleich.
Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der ehemaligen DDR wurde Ritsos zur Zeit der Obristendiktatur (1967-74) in Griechenland entdeckt, was eine Einschränkung seiner Rezeption – mit wenigen Ausnahmen - auf die “aktuellen Gedichte”, wie Ritsos selbst einen Teil seines Werks nannte, mit sich brachte. Erst im Suhrkamp-Band von 1991 wird dieser Autor als bedeutender nationaler Dichter wahrgenommen und präsentiert.
Und obwohl auch in Frankreich die anfängliche Rezeption 1951 über den “kämpferischen” Ritsos begann – mit der Übersetzung des Gedichts “Brief an Joliot Curie” –, entdeckten die großen französischen Verlage doch sehr schnell die eigentliche poetische Substanz dieses Dichters in seiner “Vierten Dimension”, wie der Band mit den mythologischen Monologen heißt.

Asteris Kutulas

 

 

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